Trend zu Second Hand: Des Schmuckstücks alter Glanz

Gebrauchte Luxusgüter sind gefragt. „Jul. Hügler“ hat den Verkauf von Second-Hand-Schmuck zu seinem Geschäftsmodell gemacht.

Fünf bis sechs Leute kommen täglich in das Geschäft in der Habsburgergasse 9 – um Schmuck zu verkaufen. Zumeist geerbte Stücke oder Schmuck, der nach einer Scheidung nicht mehr gebraucht wird. „Dann hängen die Menschen emotional nicht mehr so daran“, sagt Juwelier Franziskus Kriegs-Au.

Gemeinsam mit seinem Co-Inhaber Reinhard Stark hat er das Unternehmen „Jul. Hügler“ 2009 wiedereröffnet. Kennern der Szene wird der Name bereits etwas sagen: Schon vor der Wiedereröffnung gab es den Juwelier. Ganze vier Generationen lang, bis der das Unternehmen 2005 wergen Erbstreitigkeiten zerbrach.

Franziskus Kriegs-Au und Reinhard Stark (v. li.) haben sich auf den An- und Verkauf von Schmuck und Uhren aus zweiter Hand
spezialisiert

©Kurier/Gerhard Deutsch

Nach der Wiedereröffnung haben sich Kriegs-Au und Stark auf Second Hand spezialisiert. Sie kaufen und verkaufen gebrauchten Schmuck und Uhren. Ungewöhnlich ist das nicht. Ganz im Gegenteil: „Es ist ein neuer Markt“, sagt Kriegs-Au. Früher hätten Familien über Generationen beim gleichen Juwelier eingekauft. Heutzutage sei das anders: „Vor allem junge Leute brechen beim klassischen Juweliermarkt weg.“ Unter anderem, weil der Retrotrend auch den Luxusgütermarkt erreicht hat. „Alter Schmuck und alte Schliffe sind extrem beliebt.“

Weniger Köpfe

Immer mehr Juweliere würden deshalb auf den Second-Hand-Zug aufspringen, sagt Kriegs-Au. Das bestätigt auch die Wirtschaftskammer Wien (WKW). Demzufolge sei die Nachfrage besonders bei Luxusuhren und wertigem Schmuck aus zweiter Hand gestiegen. Neben Neuware würden Wiener Juwelenhändler deshalb vermehrt auch Gebrauchtware anbieten, heißt es.

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In der Vitrine von „Jul. Hügler“ in der Habsburgergasse 9 gleicht kein Schmuckstück dem anderen. Verkauft werden die Stücke, die die Menschen in den Laden bringen 

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Und die kommt bei den Kunden – zumindest jenen von „Jul. Hügler“ – gut an. Und das nicht nur wegen des Vintage-Looks: Second-Hand-Schmuck ist in den meisten Fällen auch deutlich günstiger. „Wir bieten nur das an, was reinkommt. „Wir brauchen keinen Goldschmied, keinen Diamant- und keinen Zwischenhändler.“ Weniger Köpfe, die daran verdienen müssen, also.

Über die Branche

  • Juwelier „Jul. Hügler“
    In fünfter Generation gibt es den Juwelier „Jul. Hügler“. Nach einer Unterbrechung ab 2005 wurde der Betrieb im   Jahr 2009 neu eröffnet
  • 415 Juweliere
    gibt es in Wien. Aktive Gold- und Silberschmiedbetriebe sind es dagegen nur 149. Zusätzlich dazu gibt es 113 Einzelhändler mit Uhren, Uhrenbestandteilen und Uhrmacherbedarf. 63 davon sind aktive Uhrmacherbetriebe, also die auch selbst reparieren 

Gleichzeitig aber erlebt das Schmuckstück dadurch, für die Person, die es an den Juwelier verkauft, eine Wertminderung. Sprich: Man bekommt beim Verkauf weniger Geld, als man beim Kauf ausgegeben hat. Und zwar um 80 bis 90 Prozent weniger, sagt Krieg-Au. Viele Leute, die ihren Schmuck verkaufen wollen, seien erstmal schockiert. „Aber im Ankauf kann eben niemand die Arbeit eines anderen bezahlen.“

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Prinzipiell stimmt dem auch der Obmann der Wiener Uhren- und Juwelenhändler Frank-Thomas Moch zu. Durchschnittlich hochwertige Ware erfahre keine vergleichbare Wertsteigerung, wie etwa sehr hochpreisiger Schmuck. „Allein die 20 Prozent Mehrwertsteuer bekommt der Kunde bei einem Weiterverkauf nicht erstattet“, sagt Moch. Allerdings setzt er den Wertverlust etwas tiefer an: zwischen 50 und 60 Prozent. Reines Gold dagegen stelle aufgrund des gestiegenen Goldpreises eine Ausnahme dar. Ansonsten gelte: „Wer wirklich auf eine Wertsteigerung spekuliert, der sollte auf spezielle Stücke setzen und braucht das nötige Kleingeld“, so Moch.

Knappes Angebot

Noch etwas spezieller sei die Situation bei Luxusuhren: Nicht nur Kleingeld sei hier erforderlich, sondern auch Geduld. Zwischen sechs Monate und zwei Jahre müssen Kunden teilweise auf neue Uhren bestimmter Marken warten, sagt Moch. Der Grund: Die Nachfrage ist höher als das Angebot. „Dadurch steigt auch der Preis am Second-Hand-Markt“, ergänzt Franziskus Kriegs-Au.

Reinhard Stark von "Jul. Hügler"

©Kurier/Gerhard Deutsch

Durch die hohe Nachfrage seien die Uhren – auch aus zweiter Hand – zudem deutlich wertstabiler als Schmuck. „Und transparenter sind sie auch“, sagt Kriegs-Au. Sprich: Man kann sich über das konkrete Modell im Internet informieren und erfahren, um welchen Preis sie gehandelt werden. Der Vergleich falle dadurch einfacher als bei Ringen oder Halsketten.

Verkauft werden die Schmuckstücke von „Jul. Hügler“ zu 80 Prozent über das Internet. Ein Bild für Instagram, der Preis dazu und fertig. „Das meiste verkaufen wir innerhalb eines Tages.“ Und zwar zu 70 Prozent nach Deutschland. An junge Menschen ab 20 Jahren. „An Frauen, die sich selbst Schmuck kaufen und die Uhren an die Männer.“ Dass die Stücke dort aber ein Zuhause für immer bekommen ist unwahrscheinlich. „In diesen schnelllebigen Zeiten wird vieles wieder verkauft“, sagt Kriegs-Au. An dritte und vierte Hand.

Über Anna Perazzolo

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