T wie Topgestylt: Wieso Wimbledon dem Sommer modisch den Aufschlag liefert

Zum 137. Mal findet in Südwestlondon das traditionelle Tennisturnier statt. Doch der Fokus liegt dabei nicht nur auf den Spielern. Wie die Zuschauertribünen zum Modelaufsteg wurden.

Ob das cremeweiße Ensemble von Poppy Delevingne mit Streifenblazer und weiter Hose, in dem das Model diese Woche zur Eröffnung der Wimbledon-Meisterschaft erschien. Ob das navyblau-weiße Kleid im Marinelook von Schauspielerin Jameela Jamil oder das Blümchenkleid von Prinzessin Maria-Olympia. Sie werden in den folgenden Wochen wieder auftauchen. In Schanigärten, beim Stadtbummel, beim Sommerfest.

Denn die traditionelle englische Tennismeisterschaft im sommerlichen Wimbledon-Stadion stellt als ältestes Tennisturnier der Welt nicht nur ein Highlight im Sportkalender dar. Es hat sich auch zum Fixpunkt der Fashion-Welt etabliert. Und liefert dabei für viele den modischen Aufschlag für ihre Sommeroutfits.

Kaum gesehen, schon vergriffen

Man erinnert sich vielleicht an Prinzessin Catherines mintgrünen Balmain-Blazer, den sie vergangenes Jahr am zweiten Spieltag trug und der durch seinen 80er-Jahre-Stil an ihre Schwiegermutter Diana erinnerte. Er war noch am selben Tag ausverkauft. 

©REUTERS/TOBY MELVILLE

Ebenso konnte man Sienna Millers blauen Nadelstreif-Hosenanzug vom offiziellen Turnier-Ausstatter Ralph Lauren schon Mitte Juli nicht mehr erstehen. Und als Meghan Markle 2018 in tiefblauem, übergroßem Streifenshirt mit strahlend weißer Hose und weißem Strohhut erschien, war kurz darauf jeder Aspekt ihres Outfits – bis hin zu den „Leonard“-Sonnenbrillen von Illesteva - vergriffen. 

Doch nicht nur die exakt gleichen Kleidungsstücke sind begehrt. „Lassen Sie sich von den besten Wimbledon-Looks der Royals und Prominenten zu Ihrem Sommerlook inspirieren“, schrieb Women&Home vergangenen Sommer und listete dann für die 32 begehrtesten Outfits von Emma Watson, Alexa Chung oder Lily James, mitunter verfüg- und leistbare Varianten. Die Sun widmete Meghan Markle sogar einen gesamten Artikel und listete ähnliche Designs, die das gesamte Outfit von 2.700 Euro auf erschwingliche 112 Euro brachten. 

Stil statt Schläger

Manche Modefans verstecken es also nicht mehr länger: „Der Hauptgrund, warum ich Wimbledon so sehr liebe, hat wenig mit Tennis zu tun“, gestand der Socialist und GQ-Journalist Teo van den Broeke vor ein paar Jahren. Natürlich sei es ein ungetrübtes Vergnügen, fuhr er fort, Roger Federer dabei zuzusehen, wie er weniger Sterbliche mit Rückhandschlägen füttert, die so glatt wie Seide und so tödlich wie Schlangenbisse sind. 

©EPA/GERRY PENNY

Und natürlich sei es eine der besten Arten, einen Dienstagnachmittag auf dem Centre Court zu verbringen, nachdem man zu viel Pimm's und zu wenig Sonnenschutzmittel getankt hat. „Aber“, ergänzte  Teo van den Broeke, „in Wirklichkeit liebe ich Wimbledon vor allem wegen des Stils.“ Er würde sich dafür mehr herausputzen als für die Fashion Shows. 

Mit dieser Einstellung scheint er nicht allein zu sein. Schauspieler Jude Law, der sich das Jahr über in T-Shirts mit Rundhalsausschnitt oder Jogginghosen fotografieren lässt, erschien 2019 in maßgeschneidertem Anzug mit seidenem Stecktuch und blütenweißer Krawatte zu ebensoweißem Hemd. 

©APA/AFP/DANIEL LEAL-OLIVAS

Und auch Ex-Fußballer David Beckham versteckt Anfang Juli gerne die Tattoos auf seinen Armen unter zugeknöpften Hemden und hellen Anzügen. 

Königlich amüsiert

Aber warum ist das so? 

Ein bisschen hat es wohl – wie so vieles in Großbritannien – mit dem Königshaus zu tun. Dass Respekt mit der richtigen Kleidung zu tun hat, wird schon den Kindern vermittelt, wenn ihnen Nachsitzen aufgebrummt wird, weil sie ihr Hemd nicht in die Hose oder ihre Krawatte nicht ordentlich gebunden haben. 

Und so wird bei den dortigen Society-Events ein wenig strenger auf die Garderobe geachtet. Beim Pferdewettrennen Royal Ascot dürfen weder Herren noch Damen ohne Hut auf die Zuschauertribüne. Bei der Royal Henley Segel-Regatta sollten Frauen Kleider tragen, die unterm Knie enden und Männer Anzüge oder zumindest Sakko mit Flanellhosen. 

Durch die Blume

Wimbledon ist dann noch eine Spur edler. Herrscht hier doch selbst für die Spielerinnen und Spieler ein striktes Kleidungsgebot: ausschließlich Weiß. 

©REUTERS/Matthew Childs

Dazu schneidert Luxusmarke Ralph Lauren seit 2006 die offiziellen Designs und Giorgio Armani lädt zum Auftakt stets ein paar Tage zuvor zum privaten Match im elitären Hurlingham Club. 

Der Luxus zog die Promis an, die Promis dann die Presse und wer bekannt ist und Sommertrends setzen möchte, sollte zumindest im Juli Tennisfan sein. 

©APA/AFP/GLYN KIRK

Dass der Dresscode den Promifaktor aber hier sogar schlägt, zeigte  sich 2016 als Lewis Hamilton zum Grand-Slam-Finale in der Royal Box mit beigem Hut und Blumenshirt, aber ohne Sakko in der royalen Box auftauchte. Er wurde sanft aber bestimmt zum Ausgang begleitet. 

Doch die Nachricht seiner Abweisung sorgte nicht nur für negative Schlagzeilen. Mit seinem Blumenshirt, urteilten die Modegazetten, hatte er zumindest den Modepuls des Sommers getroffen. 

 

 

Anna-Maria Bauer

Über Anna-Maria Bauer

Wienerin und Weltenbummlerin. Leseratte und leidenschaftliche Kinogeherin. Nach Zwischenstopps in London und als Lehrerin in der Wien-Chronik angekommen. Interessiert an Menschen, die bewegen, begeistern oder entsetzen; an ungewöhnlichen Ideen und interessanten Unmöglichkeiten. "Nichts ist verblüffender als die einfache Wahrheit, nichts ist exotischer als unsere Umwelt, nichts ist phantasievoller als die Sachlichkeit." Egon Erwin Kisch: Der rasende Reporter.

Kommentare