An der Hand der Queen: Zu Besuch im Handschuh-Atelier im Süden Englands

Kaum ein offizieller Termin der englischen Königin zeigt die Monarchin ohne Handschuhe. Diese stammen vom Familienbetrieb einer Exil-Österreicherin. Anlässlich des Thronjubiläums der Monarchin hat die freizeit das Atelier im Süden Englands besucht.

Von Anna-Maria Bauer

Der Forstweg führt durch sanfte Hügel vorbei an Schafherden. So abgeschieden liegt das Bauernhaus, dass man kaum eine royale Verbindung vermuten würde – bis man an der Steinwand das royale Wappen entdeckt. In East Sussex, ein paar Kilometer von der Südküste entfernt, befindet sich die Manufaktur Cornelia James, königliche Handschuhmacherin mit Wiener Wurzeln.

Es ist ja die eine Geste: Die Hand erhoben, den Handrücken dem Publikum zugewandt, leichte Drehbewegungen. Kaum eine Bewegung der Monarchin ist so bekannt wie ihr Winken, das kommendes Wochenende hoffentlich vermehrt zu sehen sein wird. Queen Elizabeth II. begeht da als erste englische Monarchin ein 70-jähriges Thronjubiläum. Ein Ereignis, das England bewegt: 813 Events und 1.100 Straßenpartys sind zum Platinum-Jubilee angekündigt. Zum ersten Mal seit 70 Jahren soll sie zwar nicht bei der berühmten „Trooping the Colour“-Parade teilnehmen, aber das Winken vom Balkon des Buckingham Palace lässt sie sich sicher nicht nehmen. Die Handschuhe aus feinem Brushed Suede Cotton (ein auf Wildleder gebürsteter Baumwollstoff, Anm.), die sie dazu stets trägt, fertigt seit Jahrzehnten das Familienunternehmen mit Wiener Wurzeln.

Bootsfahrt mit Prinz Philipp anlässlich des silbernen Thronjubiläums, 1977 
 

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Die Geschichte von Cornelia James ist sogar in der Familie eine Legende: Aufgewachsen in Wien, lernte sie an der Kunstuniversität das Handschuh-Schneidern. Als sie 1939 als Jüdin das Land verlassen musste, kam sie in London mit nur einem Koffer an – gefüllt mit Stoffen. Nach dem Krieg begann sie, daraus Handschuhe zu schneidern, feinst gestochen, in bunten Farben. Es war eine Marktlücke: Für ausgefallene Kleider reichte das Geld nicht, Handschuhe konnte man sich eher leisten. Cornelia James war überzeugend und so erfolgreich, dass das Modemagazin Vogue sie Queen of Colour (dt. Königin der Farben) taufte.

Die Königin in Weiß – von Kopf bis Hand – auf Mauritius, 1972
 

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Ein Titel, der das Interesse von Norman Hartnell weckte. Der royale Modedesigner trat in Kontakt. Anlässlich der Flitterwochen von Prinzessin Elizabeth und Prinz Philipp stellte er 1947 eine Kollektion zusammen und ihr die entscheidende Anfrage: Könnte sie Handschuhe senden – einen Koffer voll?

Die Schneiderinnen von Cornelia James an ihrem ersten Standort in Brighton

©Cornelia james

Es war der Beginn einer jahrzehntelangen Freundschaft. Heute trägt Cornelias Tochter Genevieve James den Titel der Hoflieferantin. Mit einem Lächeln öffnet sie die Tür ins Atelier. Jeans, geföhnte Haare und schnelle Bewegungen; sie ist noch kurz am Telefon, gibt einer Schneiderin eine Anweisung, dann dreht sie sich um. „Entschuldigung“, sagt sie, aber dann ist sie auch froh, dass das Geschäft gut geht.

Besonders häufig trägt die britische Monarchin weiße Handschuhe mit drei Linien am Handrücken – hier etwa beim Staatsbesuch in Mexiko 1975

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Als sie in den 1990er-Jahren das Atelier übernahm, trug schon lange keine Frau mehr Baumwollhandschuhe für den Wocheneinkauf. „Mummy hat immer gesagt, alles hat begonnen sich zu verändern, als Jean Shrimpton (britisches Model, Anm.) ohne Handschuhe zum Pferderennen in Melbourne erschienen ist.“ In den Department Stores wurde weniger abgenommen, die Ware schlechter positioniert. 2000 trafen Genevieve James und ihr Mann Andrew die Entscheidung: Bestellungen nur noch über die Homepage, „das hat uns gerettet“. Rund 5.000 Stück werden im Jahr produziert, Tendenz steigend. Und so kann auch das Königshaus weiterhin Aufträge schicken.

Cornelia James etablierte sich in der Nachkriegszeit mit Handschuhen in England.
 

©Cornelia james

Lieferung für die KöniginMit Royal Mail gehen die Pakete zum Buckingham Palace. Nur einmal musste eine Lieferung persönlich übermittelt werden. Mit dem Motorrad düste Andrew nach London – doch kurz vor dem Palace ging es nicht weiter. Polizeisperre: London-Marathon. „Aber ich muss durch. Ich habe eine Lieferung für die Königin“, erklärte er. „Natürlich“, erwiderten die Polizisten, „gehen Sie jetzt bitte weiter“. Dann hielten sie doch noch Rücksprache mit dem Palast und Andrew wurde zum Lieferanteneingang vorgelassen.

©Bauer Anna-Maria

Hartnäckigkeit war das Erfolgsgeheimnis von Cornelia James. Mit Überzeugung an die Türen von Department Stores zu klopfen oder Lady Diana auf einer Gartenparty anzusprechen, woraufhin am nächsten Tag eine Bestellung kam. „Sie war so eine starke Person“, erinnert sich Genevieve. In weißem Overall mit strengem Blick habe sie über die Mädchen gewacht, die Stiche auf Perfektion überprüft, schildert eine Näherin aus den 1940ern in einem Brief. Geliebt hätten sie ihre Chefin, die jeden Tag mit perfektem Make-up und einmaliger Präsenz erschien. Heute sitzen vier Schneiderinnen in lockerer Atmosphäre in heller Werkstatt an ihren Nähmaschinen. Aus dem Radio klingen Oldies. Catherine ist über einen Tüllhandschuh gebeugt, der nach Seattle geschickt wird. Ellie arbeitet an einem Baumwollmodell für eine Kundin aus London.

Heute Genevieve James das Unternehmen

©Cornelia james

Jede Schneiderin fertigt den Handschuh von Anfang bis Ende. „Sie werden mit handgeschriebenen Notizen verschickt.“ In Zeiten von Fast Fashion muss man sich von der Konkurrenz abheben. „Fühlen Sie.“ Aus einer Lade eines riesigen Apothekerschranks hat Genevieve James einen weißen Handschuh geholt, mit drei dekorativen Linien am Handrücken, wie es die Queen bevorzugt. Der Handschuh ist überraschend weich und leicht. Auch für das Jubiläum gibt es selbstverständlich ein Modell. „Jubilation“ ist aus navyblauer Baumwolle mit roter Ledereinfassung. Weil Farbe an der Hand immer noch ein Outfit aufpeppt.

Hier geht's zum Handschuh-Atelier

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