Warum ein Politiker in Sneakers schon wieder für Aufregung sorgt
Nach Fischer und Mückstein: Jetzt hat auch der britische Premier Rishi Sunak sein Turnschuh-Gate. Was eine Expertin zur Rolle des legeren Schuhwerks sagt.
Es kommt selten vor, dass sich ein Politiker öffentlich entschuldigt. Noch unüblicher ist, dass der Grund für die Entschuldigung ein modischer ist: Großbritanniens Premierminister Rishi Sunak hatte mit seinem Schuhwerk vergangene Woche für Aufregung gesorgt. Während eines Interviews zum Thema Steuerpolitik trug er nicht seine üblichen Prada-Loafers oder Lackschuhe, sondern weiß-graue Sneakers der Marke Adidas.
Ist der Wirbel um den Politikerschuh gerechtfertigt? Nein, findet die heimische Kommunikatonsexpertin und Politikberaterin Heidi Glück. "Aber die Briten sind eben stockkonservativ in modischen Fragen." Man sei es nicht gewöhnt, den ansonsten in Maßanzüge gekleideten Politiker in coolen Sneakers zu sehen. "Rishi Sunak hat für das Interview seine Adidas aber sicherlich bewusst gewählt, um locker, cool und unkonventionell zu wirken. Vermutlich wollte er damit auch vom harschen kritischen Wind, der ihm in England derzeit entgegenbläst, ablenken", glaubt Glück.
Auch Österreich hat in Sachen Turnschuh-Politik schon einiges erlebt. BZÖ-Mann Stefan Petzner brannte sich 2012 mit seinen "Flügel-Sneakers" im Look der USA-Flagge im Nationalrat ins kollektive Gedächtnis ein. Die ehemalige VP-Außenministerin Ursula Plassnik (2004 - 2008) verzichtete aufgrund ihrer Körpergröße auf Pumps und setzte, wie Kamala Harris, auf Converse-Sneakers, aber mit auffälligen Designs.
Comeback eines Kultschuhs
Den größten Aufschrei aber gab es, als Wolfgang Mückstein vor drei Jahren von Bundespräsident Alexander Van der Bellen als neuer Gesundheitsminister angelobt wurde. Der Mediziner der "Grünen" erschien nicht nur ohne Krawatte, sondern auch noch in einem beigen Turnschuhmodell der Marke New Balance in der Hofburg. In einem "ZiB2"-Interview darauf angesprochen, wollte er sich aber nicht für das unkonventionelle Outfit entschuldigen: "Ich mag Sneakers wirklich", sagte er nur.
Wo bleibt die modische Gleichberechtigung?
Auch Rishi Sunak - der mit einer milliardenschweren Textilunternehmerin verheiratet ist - sollte sich nun in einem Radiointerview "bei der Samba-Community" für den entfachten Turnschuh-Tumult rechtfertigen. Er weigerte sich, als Opfer eines kurzlebigen Modetrends diffamiert zu werden. Er sei ein begeisterter Anhänger, besitze schon seit "vielen, vielen Jahren" Adidas-Sneakers, darunter eben auch Sambas.
Politberaterin Glück plädiert für mehr Toleranz in Sachen Politikermode. "Es ist höchste Zeit, dass Männer in der Politik sich modisch von ihrer eigenen Fadesse verabschieden dürfen", sagt sie. "Es ist eigentlich nicht begründbar, warum Frauen bunt sein dürfen und Männer grau sein müssen. Bei diesem Thema müsste es einen umgekehrten Schrei nach Gleichberechtigung geben, weil die modische Emanzipation der Männer Lichtjahre hinter jener der Frauen zurück ist."
Offensichtlich sei das aber auch im Jahr 2024 den meisten Politikern kein wichtiges Thema. "Sie verzichten freiwillig auf ein Instrument der Selbstinszenierung und auf ein Unterscheidungsmerkmal. Um Immanuel Kant zu variieren: Die Befreiung der Männer aus ihrer selbstverschuldeten modischen Unmündigkeit wäre einen Versuch wert."
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