Michael Kors im Interview: „Ich hatte nie Angst vor Veränderungen“

Der Designer feiert 40-jähriges Bestehen und erzählt im Interview über harte Zeiten und den größten Wandel der Modewelt.

Für seine Jubiläumskollektion ließ Michael Kors den Broadway in New York sperren. Dort, wo er als Verkäufer seine Karriere begann. Der Modemacher über seine Anfänge, die Pandemie und die hässlichen Neunziger.

Schon in Ihrer Jugend haben Sie fürs Fernsehen gearbeitet. Wie hat es Sie zur Mode verschlagen?

Michael Kors: Es stimmt, als Kind habe ich einige TV-Werbespots für Müslis gedreht, die noch immer im Internet zu finden sind. Aber ich wollte schon damals Designer werden. Jeder in meiner Familie war modeverrückt. Meine Mutter war Model, meine Großmutter trug nie zweimal das Gleiche und mein Großvater arbeitete im Textilgeschäft. Es lag mir also im Blut.

Ihre Karriere hatte nur wenige Tiefpunkte. Was war Ihre schwierigste Zeit?

Das waren tatsächlich die vergangenen eineinhalb Jahre, weil sie uns gezwungen haben, alles, was wir tun, zu überdenken – wie und warum wir so arbeiten, was unsere Kunden brauchen und wollen – ohne eine Vorstellung davon zu haben, was die Zukunft bringen würde. Aber ich bin ein Optimist und hatte nie Angst vor Veränderungen, also haben wir uns durchgearbeitet, an einigen Stellen gestrafft und das beibehalten, was sich für die Marke als essenziell anfühlte.

Sie wollten schon immer elegante und vor allem tragbare Mode machen. Erzählen Sie von Ihren größten Inspirationen.

Als ich anfing, wurde ich von Paparazzi-Fotos der ursprünglichen Jet-Setter inspiriert – Leute wie Ali MacGraw, Steve McQueen und Jackie Onassis – die auf ihren Reisen um die Welt immer schick aussahen. Und ich wurde von den Frauen in meiner Familie inspiriert, allesamt viel beschäftigte, berufstätige Frauen, die Mode liebten und ihre eigenen Vorstellungen von Glamour und Stil hatten.

Sie haben einmal gesagt, dass Sie den Stil der Neunzigerjahre scheußlich fanden. Dabei feiert die Ästhetik gerade ein Comeback.

Es stimmt, dass mir der schlampige Grunge Stil von damals überhaupt nicht gefällt – bis heute. Aber die Neunzigerjahre hatten schon auch Großartiges zu bieten. Wenn ich an Superstars wie Christy Turlington, Linda Evangelista, Naomi Campbell und Carolyn Bessette-Kennedy denke. Sie waren die Ersten, die Regeln gebrochen haben und mit Mode experimentierten. Freizeitkleidung wurde plötzlich mit Super-Luxus-Stücken kombiniert. Das ist noch heute sehr relevant.

Wie hat sich die Modewelt in den letzten 40 Jahren Ihrer Meinung nach verändert?

Ach, Mode verändert sich ständig, und das ist einer der Gründe, warum ich sie liebe. Aber der größte Wandel war die Auswirkung des Internets und der sozialen Medien. Dadurch wurde die Mode globaler und demokratischer. Was in Wien funktioniert, funktioniert heute auch in New York und Tokio.

Kritiker sagen, die Modeindustrie produziere viel zu viel. Wie ist Ihre Meinung zum Thema Nachhaltigkeit?

Die Modebranche arbeitet wirklich hart und schnell daran, ihre Auswirkungen auf die Umwelt zu reduzieren. Das können Sie mir glauben. Gut ist, dass die Leute allmählich den Wert von zeitlosem Design verstehen. Ein gut verarbeiteter Mantel kostet Sie vielleicht mehr, aber wenn Sie ihn zwanzig Jahre lang mit Freude tragen können, war es eine lohnende Investition.

Hat die Pandemie Sie und Ihren Sinn für Mode verändert?

Meine Designphilosophie hat sich nicht geändert. Mode soll sowohl luxuriös als auch pragmatisch sein. Und das gilt heute noch. Aber persönlich hat mir die Pandemie all die Dinge viel bewusster gemacht, die am wichtigsten sind – meine Familie und Freunde, die Natur, das Reisen und New York.

Vom Studienabbrecher zum Multimillionär

„In einer Industrie, in der alle von Coolness und Avantgarde besessen sind, ist er schlau und mutig genug, Kleider zu machen, die gemütlich, elegant und unbefangen glamourös sind“, huldigte US-Vogue Chefin Anna Wintour Michael Kors in einer Rede.
 Man könnte auch sagen, Kors’ Kollektionen sind nie besonders ausgefallen oder künstlerische Hochleistungen. Sie sind Mainstream. Und genau das will Michael Kors – modeaffine Damen auf Abendpartys glitzern und gut aussehen lassen. Nicht mehr und nicht weniger. Ganz so, wie er es in den Siebzigern in New Yorks legendärem  Studio 54 gesehen hat. „Ich bin ins Studio 54 gegangen statt zu meinem Abschlussball“, erzählt er gerne über die Kultdisco.

Erst  VerkäuferUm Designer zu werden, studierte der gesellige Partyboy zwar am renommierten Fashion Institute of Technology, schmiss das Studium aber nach kurzer Zeit – um in der Boutique Lothar’s als Verkäufer anzuheuern. Schließlich überzeugte Kors auch als Chefdesigner des Ladens. Von 1998 bis 2004 war Kors auch durchaus erfolgreich für das französische Label Celine tätig, wo er seiner Linie treu blieb. 
Richtig bergauf ging es aber, als er  unter seinem Namen und dem Motto „leistbarer Luxus“ von Kleidern bis Parfums alles verkaufte. Die Taschen und Uhren sind meist protzig mit seinem Namen versehen und zählen zu den größten Verkaufsschlagern.   
Beliebt als TV-JurorZum bekannten Promi wurde der schlagfertige Unterhalter in den USA nicht zuletzt, weil er als TV-Juror von Heidi Klums „Project Runway“ im Einsatz war. 

Heute gilt Michael Kors als einer der reichsten Designer mit mehreren hundert Millionen Dollar Privatvermögen – auch, weil er seine Marke nicht komplett an ein  Aktienkonglomerat verkauft hat wie so viele andere Kollegen. Über Finanzen spricht er allerdings in keinen Interviews. Was Kors dagegen über sich preisgibt: Dass er seit 2011 mit Langzeitfreund Lance Le Pere verheiratet ist, nie selbst kocht, Fotografien und Schüsseln  sammelt und  nur im Theater  entspannt.


 

Christina Michlits

Über Christina Michlits

Hat Theater-, Film- und Medienwissenschaften studiert. Nach Kennenlernen des Redaktionsalltags bei Profil und IQ Style, ging es unter anderem zu Volume und dem BKF. Seit 2010 bei KURIER für die Ressorts Lebensart und Freizeit tätig. Schwerpunkte: Mode, Design und Lifestyle-Trends.

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