Athletinnen überraschen in Paris mit aufwendig gestalteten Fingernägeln.

Nagelkunst bei Olympia: Vor dem Wettkampf noch schnell zur Maniküre

Athletinnen wie Sha'Carri Richardson und Jordan Chiles überraschen in Paris mit aufwendig gestalteten Fingernägeln. Woher kommt der Trend? Und wie kann man damit sporteln?

Seit eineinhalb Wochen fahren die Athletinnen bei Olympia ihre Krallen aus. Und das ist durchaus wörtlich gemeint. Mit der veralteten Vorstellung, wie Fingernägel von Spitzensportlerinnen (und -sportlern) aussehen sollten, haben die Hände der Olympia-Teilnehmer in Paris nämlich wenig gemein. 

Sie sind lang, spitz, kunstvoll verziert oder lackiert, jedenfalls ein garantierter Hingucker während der Wettkämpfe. Und ein Anlass zur Frage: Wie kann man damit überhaupt Sport machen?

Bestens, wie etwa die US-amerikanische Gymnastin und Bronzemedaillen-Gewinnerin Jordan Chiles unter Beweis stellte. Ihre langen Acrylnägel würden ihr sogar dabei helfen, präziser zu turnen: "Es hilft mir an die richtige Technik zu denken, denn ich möchte nicht fallen und mir einen Nagel abbrechen... meine Nägel sind zu wertvoll und schön, um abzubrechen", erklärte die 23-Jährige in einem Vogue-Podcast.

Jordan Chiles

Jordan Chiles

©REUTERS/Hannah McKay

"In Paris haben wir dieses Jahr einige wirklich beeindruckende und auffällige Nägel der Sportlerinnen gesehen, die aktuelle Trends in der Nagelkunst widerspiegeln", beobachtet die Wiener Nageldesignerin und Studiebesitzern Alexandra Soare. "Selbst bei Sprints, gymnastischen Routinen und langen Schwimmdistanzen bleiben die Nägel perfekt intakt. Das unterstreicht, wie gut die Materialien und Techniken angepasst sind, um sowohl funktional als auch stilvoll zu sein."

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Beliebte Nageltrends

  • Minimalismus: Der Trend zu minimalistischen Nageldesigns, die sich durch schlichte Eleganz und dezente Verzierungen auszeichnen, gewinnt an Popularität. Dies umfasst neutrale Farbtöne und klare Linien.
  • Metallic-Effekte: Metallic-Nägel, die mit glänzenden und reflektierenden Oberflächen arbeiten, sind ebenfalls im Kommen. Diese Designs verleihen den Nägeln einen futuristischen Look und sind ideal für auffällige Auftritte.
  • Reinvented French Manicure: Die klassische French-Maniküre erhält ein modernes Update mit bunten Spitzen und Ombré-Effekten, die den klassischen Look aufpeppen.
  • 3D-Verzierungen: Nageldesigns mit dreidimensionalen Elementen wie kleinen Edelsteinen oder Blumenmotiven fügen den Nägeln Textur und Tiefe hinzu und sind perfekt für besondere Anlässe.
  • Abstrakte Kunst: Abstrakte Nagelkunst, die Kreativität und Individualität fördert, wird ebenfalls populär. Diese Designs können von Farbspritzern bis hin zu geometrischen Mustern reichen.

Als Vorreiterin des Trends gilt Superstar-Leichtathletin Sha'Carri Richardson. Die US-Amerikanerin krallte beim Start des 100-Meter-Laufs ihre kunstvoll manikürten, extra spitzen und langen "Stiletto"-Nägel in den Boden, ehe sie zu Silber sprintete. Ihre Nägel setzen einen neuen Standard im Profi-Sport, sagt Sophia Kinaya Haug, die für Richardson als Nageldesignerin gearbeitet hat. Die 24-Jährige kenne aber auch ihre Grenzen: "Einmal bat sie mich, ihre Nägel etwas zu kürzen, weil es schwierig für sie war, ihre Schuhe zu binden."

Sha'Carri Richardson

 Sha'Carri Richardson

©APA/AFP/ANDREJ ISAKOVIC

"Mir ist aufgefallen, dass die Leichtathletinnen, die ihre Fingerspitzen im Wettbewerb nicht brauchen, deutlich längere Nägel tragen", sagt Soare. "Im Turnen, Schwimmen oder Volleyball sind die Nägel auch kunstvoll verziert, aber kürzer, weil hier der Verletzungsgefahr höher ist. Generell wird die Performance aber in keiner Weise beeinträchtigt."

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Der Trend beschränkt sich weder auf eine Sportart noch auf ein Geschlecht. Die Australierin Ariarne Titmus kraulte mit neongelben Fingernägeln; die Deutsche Pauline Sophie Grabosch radelte mit glänzend goldenen. Die Fechterin Sara Balzer und der Sprinter Noah Lyles sind nur zwei von vielen Sportlern, die ihre Nägel in den jeweiligen Landesfarben lackiert hatten. Die Schwimmerin Valerie Tarazi setzte ebenfalls ein farbiges Hand-Zeichen ein und solidarisierte sich mit ihrer Heimat Palästina.

Martin Dougoud

Martin Dougoud

©REUTERS/Molly Darlington

"Patriotismus spielt natürlich eine Rolle - ein kreativer Ausdruck der Zugehörigkeit zum eigenen Land", sagt die Sportpsychologin Andrea Engleder zum olympischen Nagel-Hype. "Ich erlebe es bei manchen auch als integralen Teil der Wettkampfvorbereitung, sich die Nägel in den Farben der Landesfahne zu lackieren." Die Hürdenläuferin Sydney McLaughlin-Levrone ging noch einen Schritt weiter und stimmte die Spitzen ihrer French-Maniküre auf die Farbe ihres Sponsors ab.

Sydney McLaughlin-Levrone

©REUTERS/Hannah McKay

Auch der Ausdruck der Individualität - ähnlich wie bei schrägen Frisuren im Männer-Fußball - kann ein Grund für extravagante Maniküre sein, erklärt die Psychologin. "Bei solchen Großveranstaltungen möchte man gesehen werden - und man wird auch gesehen, von einer so großen Öffentlichkeit wie sonst nie. Es ist auch eine Wertschätzung gegenüber dem hochwertigen Wettkampf. So wie wir uns zu speziellen Anlässen hübsch kleiden, drücken die Sportler und Sportlerinnen über die auffallend gestalteten Fingernägel aus, dass das jetzt ein sehr besonderer Event ist."

Sara Balzer

©APA/AFP/FABRICE COFFRINI

Nicht zuletzt ist Nagelgestaltung ein angenehmer Zeitvertreib und eine Ablenkung in den Wartezeiten vor dem großen Wettkampf. Im olympischen Dorf hat man dafür extra ein Nagelstudio (mit integriertem Friseur) aufgebaut, das sich großer Beliebtheit erfreut. 

Einige Athletinnen teilten auf Tiktok Videos von ihrer Maniküre. Und beweisen damit, dass Nagelkunst und sportliche Höchstleistungen längst kein Widerspruch mehr sind.

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