Optimistisch oder besorgt? Was Jill Biden mit ihrem "Vogue"-Cover ausstrahlt
Zum zweiten Mal ziert die First Lady den Titel des Modemagazins. Ob das ihrem Mann noch helfen kann? Experten sind skeptisch.
Sie hatten es nicht wissen können, doch für die Biden-Familie kam das Titelblatt der kommenden Vogue gerade zum rechten Zeitpunkt. Kurz nach dem Debatten-Debakel im Fernsehen wurde Jill Biden, Frau des amtierenden US-Präsidenten, via Instagram als Cover-Model der August-Ausgabe präsentiert.
Die 73-Jährige steht etwas statisch vor einem neutralen Hintergrund, die Arme eng an den Körper gelegt. Sie trägt ein cremeweißes Mantelkleid von einem ihrer Lieblingsdesigner, Ralph Lauren, und türkisfarbene Ohrringe von Irene Neuwirth. Der Blick ist in die Ferne gerichtet und soll wohl Zuversicht vermitteln - wirkt aber im Lichte jüngster Wahlkampfturbulenzen und einer drohenden zweiten Trump-Ära nachdenklich bis sorgenvoll.
Es ist ein ziemlicher Kontrast zu ihrem ersten Cover, das sie - kurz nach der Amtseinführung - lachend in einem geblümten Oscar-de-la-Renta-Kleid auf dem Balkon des Weißen Hauses zeigte. "Eine First Lady für uns alle", stand damals darunter. Der aktuelle Titel kommt einem verzweifelten Wahlaufruf gleich: "We decide our future", Wir entscheiden über unsere Zukunft" steht unter dem Bild, das vom kanadischen Porträtfotografen Norman Jean Roy vor der Fernsehdiskussion aufgenommen wurde.
First Lady als Geheimwaffe
First Ladys galten schon immer als Geheimwaffe im Kampf um die Gunst der Wählerschaft. Und so sind wohl auch die Fotos der populären Englischprofessorin ein weiterer Versuch, die Stimmung vor der Wahl im November doch noch zu drehen. Hatte nach dem missglückten TV-Duell doch sogar die trumpkritische New York Times den 81-jährigen Biden aufgefordert, einem oder einer Jüngeren den Vortritt zu lassen.
Christine Bauer-Jelinek, Wirtschaftscoach und Psychotherapeutin, ist vom Effekt der Vogue-Kampagne dennoch nicht überzeugt.
"In der jetzigen Situation wird natürlich alles unternommen, was irgendwie geht. Und First Ladys haben ihre Männer in verschiedensten Rollen schon immer unterstützt", sagt die Autorin ("Die geheimen Spielregeln der Macht").
"Jedoch ist das aus meiner Sicht nicht wirklich geglückt. Das Cover wirkt wenig aufbauend, weder das strenge, sehr formelle Outfit noch das sorgenvolle Gesicht."
First Ladys auf dem Titelblatt oder im Inneren des Modemagazins haben in den USA eine bald hundert Jahre alte Tradition. Lange vor der Möglichkeit der digitalen Selbstdarstellung konnten sie so eine menschliche, familiäre Seite vermitteln, die in der Politikberichterstattung meist unterging. Einige festigten durch die Shootings ihr Image als Stilikonen bis über den Tod hinaus.
Lou Henry Hoover war 1929 die erste Präsidentengattin, die sich für die Vogue fotografieren ließ. Ihr folgten unter anderem Mamie Eisenhower, Eleanor Roosevelt, Jacqueline Kennedy, Betty Ford und Laura Bush.
Hillary Clinton gab sich nach der Lewinsky-Affäre 1998 betont staatstragend im schwarzen Samtkleid. Ausgerechnet das einzige Model unter den First Ladys, Melania Trump, war im liberalen Condé-Nast-Verlag nicht erwünscht.
Michelle Obama und der Bizeps
Ganz anders als Michelle Obama, die es mitsamt ihrer muskulösen Oberarme innerhalb von sieben Jahren gleich drei Mal auf die Seite 1 schaffte. Die Inszenierung der strahlenden First Lady wirkt im Vergleich zu Jill Biden fröhlich und locker.
Und auch die amtierende Vizepräsidentin Kamala Harris schien 2021 in Converse und Hosenanzug eine völlig andere, hemdsärmeligere Botschaft zu senden (sorgte mit ihrer Bodenständigkeit jedoch auch für Kritik).
"Die Obamas hatten eine viel einfachere Situation, weil die Weltlage nicht so drückend war und das Neue, Frische einfach besser repräsentiert werden konnte als die zweite Amtszeit von einem Joe Biden, der ohnehin schon angezählt ist", analysiert Bauer-Jelinek.
"Da kann die Frau jetzt auch nichts mehr retten. Natürlich kann sie in der derzeitigen Situation auf dem Cover nicht strahlen, aber so tragisch muss sie auch nicht ausschauen."
Anders als auf dem Cover gibt sich Jill Biden im Interview betont kämpferisch. Sie und ihr Mann würden nicht zulassen, dass die 90 Minuten Fernsehkonfrontation die vier Jahre seiner Präsidentschaft bestimmen, sagte sie dem Magazin: "Wir werden weiter kämpfen."
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