"Goblincore": Die textile Sehnsucht nach dunkler, feuchter Natur
Schnecken, Schwammerl, Kobolde: Im Netz verbreitet sich ein neuer Modetrend.
Die Sehnsucht nach Wäldern, die viele während der Lockdown-Monate neu entdeckt haben, schlägt sich nun auch in der Mode nieder: „Goblincore“ heißt ein neuer Mode- und Lifestyle-Trend, der sich derzeit auf Tiktok, Pinterest und Instagram verbreitet. In der Foto-App finden sich unter dem Schlagwort bereits 340.000 Beiträge – meist Fotos von Kleidung mit Wald- und Wiesenmotiven wie Moos, Pilze, Kröten, Schlangen oder Koboldohren.
Ja, mit romantisch verklärter Idylle – wie beim verwandten Trend „Cottagecore“ – hat die neue Strömung wenig zu tun. Goblincore (goblin ist englisch für Kobold, core steht für Kern) huldigt der ungeschönten Naturelemente, im Vordergrund stehen „Chaos, Schmutz und Schlamm“, wie es die Trendexpertin Sabrina Faramarzi im Guardian formulierte.
„Goblincore ist Cottagecore für die, die ihre Zeit tatsächlich in der Natur verbringen“, erklärte sie. „Mitglieder der Community wissen, dass Natur nicht sonnengeflutete Weizenfelder, sondern modrige Wälder und chaotische Tiere bedeutet. Die Ästhetik wird häufig auch als ,dunkler Cottagecore‘ bezeichnet.“
Tiefere Bedeutung
Beim Cottagecore wurde das Leben in und mit der Natur idealisiert, beim Goblincore ist Unvollkommenheit Trumpf. Sprich: Das weiße Leinenkleid würde beim Goblincore mit Schlamm und Erde „verziert“ werden. Farblich dominieren dunkle Grün- und Brauntöne.
Im hippen Online-Shop Etsy wurden vergangenen Monat im Vergleich zum Vorjahr 652 Prozent mehr Suchanfragen nach Goblincore-Artikeln verzeichnet: Dort finden sich etwa Ohrringe mit Fliegenpilzen und Schlangen oder Anhänger in Form von Eichkätzchen. Auch T-Shirts mit Illustrationen von Schnecken, Kröten oder Spinnen werden verkauft.
Wir sind Kobold
Doch der Trend, der bereits in den 2010er-Jahren entstanden ist und während der Pandemie an Fahrt aufnahm, hat noch eine tiefere Bedeutung: Da manche Pilzarten Tausende verschiedene Geschlechter haben, fühlen sich vor allem nichtbinäre und queere Personen davon angesprochen und abgeholt. Das Hochheben des Unvollkommenen und der Außenseiter würde vielen jungen Menschen Trost spenden.
Trendexpertin Faramarzi hat noch eine andere Begründung für den Hype: Nach vielen Monaten im Lockdown und in weiter, neutraler Kleidung, würden wir uns doch alle ein wenig wie Kobolde fühlen. Viele möchten sich ab und zu in den Wald zurückziehen und in sich gehen. Im Herbst, erwarten die Experten, könnte die Sehnsucht nach Goblincore noch stärker werden.
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