Quer am Körper: Der schräge Aufstieg der Crossbody-Bags
Wieso Taschen nun immer mehr diagonal über dem Brustkorb getragen werden. Und weshalb das ein Meilenstein für die Frauenmode ist.
Um die Jahrtausendwende hing die Handtasche, egal ob langer oder kurzer Henkel gerade von der Schulter, klebte als Clutch unter der Achsel oder wurde henkellos mit der Hand gepackt. Doch seit einiger Zeit sieht man – beim Festival, beim Städtetrip oder an den Promis – Handtaschen immer häufiger anders: Meist mit kurzem, oft mit dickem Träger, aber jedenfalls schräg über dem Brustkorb.
Mitte Juli rundete Talkshow-Star Oprah Winfrey ihr weißes Outfit bei einer Medienkonferenz im kalifornischen Sun Valley etwa mit einer weißen, kompakten Crossbody-Tasche ab.
Schauspielerin Jessica Alba wurde im Frühsommer beim Radfahren in Los Angeles mit einer sportlicheren Bauchtasche über dem Oberkörper abgelichtet. Und Sarah Jessica Parker wurde beim Dreh der Serie "And Just Like That" Anfang Juli mit einem eleganten, weißen Spitzenkleid gesichtet, das sie mit einem breiten schwarzen Hut und kleiner schwarzer Crossbody-Bag kontrastierte.
Croissant-Taschen gehen weg wie warme Semmeln
Und nun erklärte Vogue die halbmondförmige "Croissant"- Bag zum begehrtesten Accessoire des Sommers. Das Shoppingportal Net-A-Porter hätte in den jüngsten sechs Monaten einen Anstieg der Croissant-Bag-Suchanfragen um 128 Prozent erlebt; die Modeseite Depop allein im Mai einen Anstieg der Suchanfragen um 28 Prozent verzeichnet.
Auch die Wiener Taschendesignerin Sabrina Satzinger bemerkt eine erhöhte Nachfrage solcher Umhängetaschen: "Sobald ich ein derartiges Model fertig habe, ist es relativ schnell wieder weg", sagt die Designerin, die mit ihrem Label "Saborka" in der Wiedner Schleifmühlgasse ansässig ist.
Aber warum sind diese Tasche derzeit so gefragt wohl?
Style-Journalistin Amanda Randone brachte es für Refinery29 auf den Punkt: "Das Erfolgsgeheimnis ist einfach: So sehr wir auch eine unpraktische Partytasche lieben, nichts sieht so gut aus wie sich ein freihändiges Statement-Piece anfühlt." Denn man muss nicht wie bei jenen Modellen, die von der Schulter hängen oder unter der Achsel kleben, eine Hand oder einen Oberarm dazu verwenden, sie in Position zu halten.
Sabrina Satzinger nickt: "Sie sind einfach praktisch."
Nun darf es auch mal angenehm sein
Praktisch. Ein Adjektiv, das selten im Zusammenhang mit Frauenmode fällt. Stylisch, edel, edgy oder cool, ja. Aber funktionabel? Nebensache.
Das war auch der Grund, erzählt Sabrina Satzinger, weshalb sie vor acht Jahren ihr Label Saborka gegründet hat.
"Ich hatte wahnsinnige Rückenprobleme, weil ich all meine schweren Taschen immer nur auf einer Seite getragen habe und habe einen coolen Rucksack gesucht." Doch Modelle waren entweder zu sportlich, zu klobig, zu unförmig. Also hat sie den perfekten Rucksack kurzerhand selbst gefertigt. Mittlerweile designt sie auch Taschen und integriert dabei stets zwei Ringe für einen Trägerriemen.
Von Marc Jacobs bis Uniqlo
Saborka ist aber nicht das einzige Label, das schick und sinnvoll kombiniert. Ebenfalls vor acht Jahren, als Satzinger ihr Label gründete, brachte Marc Jacobs ein ikonisches Modell auf den Markt: Die Snapshot Tasche. Eine kompakte, rechteckige Umhängetasche mit abgerundeten Ecken aus strukturiertem Leder und einem breiten, abnehmbaren und verstellbaren Schulterriemen, der meist bunt gemustert ist. Bequem und dennoch so stylisch, dass sie 2020 in der ersten Staffel "Emily in Paris" an der Schulter der Protagonistin präsentiert wurde.
Zwei Jahre später kam die Kulttasche des Sommers dann einmal von keinem Luxuslabel. Die bananenförmige "Round Mini" um 14,90 Euro wurde Uniqlos meistverkaufte Tasche aller Zeiten, berichtete der Guardian.
Nach dem Launch im April 2022 war sie innerhalb den 18 Monaten sieben Mal ausverkauft. Soeben kam eine neue Version in Steppoptik und größerem Format heraus.
Die Verkäufe stiegen das erste Mal rasant an, nachdem TikTokerin Caitlin Philmore-Prive in einem Kurzvideo den Inhalte der Tasche auspackte. Fans nennen sie seitdem auch "Mary Poppins Tragtasche", weil da irgendwie immer noch Raum ist, etwas hineinzupacken.
Praktisch eben. Das ist das Wort schon wieder.
Gegen den Klammergriff
Aber dann ist die Schultertasche genau zu diesem Zweck erfunden worden. "Mein Mann mochte es nicht, wenn ich mein Portemonnaie umklammert hielt", erinnerte sich die Amerikanerin Elizabeth Phelps 1964 in der New York Times, "und so entwickelte er eine Umhängetasche. Wir machten sie aus Rindsleder und später aus Wildleder und Pelz."
Und als in einem Sommertag in den 1940ern Socialite und Truman-Capote-Muse Barbara Cushing Mortimer damit aus dem Taxi stieg, wollte sie dann alle. Diese Schultertasche, die die Hände frei hielt.
Kommentare