Bulgari: Wie die Jagd nach dem edelsten Stein abläuft
Eine neue Dokumentation gibt Einblicke in den Entstehungsprozess einer Bulgari-Kreation.
Wenn sich Lucia Silvestri auf den Weg nach Indien macht, geht es um viel Geld. Die Italienerin gehört zu den wenigen Frauen weltweit, die sich in einer männerdominierten Welt durchgesetzt haben: jener der Edelsteine.
Als Schmuck-Kreativdirektorin von Bulgari entwirft sie nicht nur, sondern kauft auch persönlich jene Steine ein, die sie für die Umsetzung ihrer Ideen braucht. Ein Prozess, in den Unbeteiligte nur selten Einblick bekommen – zu groß ist die Angst, Details preiszugeben, von denen die Konkurrenz profitieren könnte. Für die Dokumentation "Inside the Dream" (seit dieser Woche auf Amazon Prime verfügbar) entschied man sich dennoch dafür: Ein Kamerateam durfte Silvestri während des gesamten Entstehungsprozesses eines Colliers begleiten.
So verrät die Italienerin beim Edelsteinkauf in Jaipur zwei der wichtigsten Regeln ihres Business: Strenge gegenüber den Händlern ist manchmal notwendig, jedoch auch die Fähigkeit, sich nicht von jedem schönen Stein blenden zu lassen: "Man sollte nie etwas kaufen, wenn man nicht weiß, was man daraus machen will."
Silvestri sucht in der Dokumentation unter anderem für ein Collier, das Teil der ultra-luxuriösen High-Jewelry-Kollektion werden soll, einen außergewöhnlich großen Edelstein. Schauspielerin Zendaya durfte das Endergebnis im Jahr 2021 bei den Filmfestspielen in Venedig vorführen: Ein 93,83-karätiger Smaragd, der aus einem rund vier Kilogramm schweren Rohstein geschliffen wurde.
Ausflug ins Metaverse
Vom Begriff des Luxusjuweliers war Gründer Sotirio Bulgari bei der Eröffnung seines ersten Geschäfts im Jahr 1884 noch weit entfernt. Der gebürtige Grieche bot nach seiner Auswanderung nach Rom zunächst nur Silberwaren an. Erst im 20. Jahrhundert weiteten Sotirios Söhne das Familienbusiness auf Gold und Edelsteine aus.
Die Erben erkannten früh die Wichtigkeit von Prominenten: In den Sechzigerjahren, als es kaum Fernsehen gab und der Begriff soziales Medium noch lange nicht erfunden war, pflegte Bulgari den Kontakt zu Stars, um die Eigenkreationen weltweit bekannt zu machen. Mit Erfolg: Zu den berühmtesten Fans gehörte Elizabeth Taylor, die von Ehemann Richard Burton u. a. ein dekadentes Smaragdcollier geschenkt bekam.
Um sich vom angestaubten Image der vergangenen Jahre zu befreien, setzt man heute auf Kooperationen mit Influencern wie Chiara Ferragni oder dem Topmodel Lily Aldridge. Und sogar auf Ausflüge ins Metaverse: Kürzlich gab das Unternehmen bekannt, mit Asiens größter Plattform dieser Art, Zepeto, einen virtuellen Pop-up-Store kreiert zu haben. Rund 80 Prozent der Nutzer sind Jugendliche.
Warum ein Luxusprodukt bei einer so jungen Gruppe bewerben, wenn sie sich dieses gar nicht leisten kann? "Für die Markentreue sind junge Menschen sehr wichtig", sagt Bart de Boever, Managing Director Northern Europe, im KURIER-Gespräch. "Sie können sich das Schmuckstück vielleicht jetzt nicht leisten, irgendwann jedoch schon."
Das Durchschnittsalter der Kundschaft in Europa liegt bei 45 Jahren, in China jedoch bei 35.
Herzlich – und diskret
Was sich bereits bei anderen Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren gezeigt hat: Luxusschmuck ist krisenfest. Deshalb wagt Bulgari trotz kaum abschätzbarer wirtschaftlicher Entwicklungen nun mit einer Boutique am Wiener Kohlmarkt den österreichischen Markteintritt. "Viele wollen das Geld nicht auf der Bank liegen lassen und es lieber investieren", beobachtet de Boever.
Während andere Firmen immer mehr auf Webshops setzen, bleibt der stationäre Handel für Bulgari das Kerngeschäft. "Gewisse Erlebnisse sind nur in einem Store möglich. Einen großen Teil unserer Kundschaft kennen unsere Verkaufsteams persönlich. Ich selbst kenne die Lebensgeschichten unserer High-Jewelry-Kundschaft, ich duze sie sogar. Eine Beziehung dieser Art kann die Onlinewelt einfach nicht bieten."
So herzlich der Kontakt mit der Klientel, so verschlossen gibt man sich angesichts deren Identität: Der Star der Dokumentation, das Smaragd-Collier, wurde bereits vergangenes Jahr verkauft. An wen – und zu welchem Preis – bleibt geheim.
Edelstein-Kunde
Smaragd
Er erhält seine grüne Farbe durch Spuren von Chrom, Vanadium und Eisen. Je kräftiger die Farbe, desto teurer der Stein. Während Einschlüsse beim Diamant nicht erwünscht sind, wirken sie beim Smaragd nicht preismindernd und haben sogar einen Namen: Jardin (französisch: Garten). Die wichtigsten Vorkommen finden sich in Kolumbien und Brasilien
Indien
Lange bevor der erste Diamant in Afrika gefunden wurde, lagen die ersten Minen in Indien. Selbst jene Diamanten und Farbsteine, die nicht in Indien gefunden werden, landen höchstwahrscheinlich irgendwann dort: Ein Großteil der weltweit gehandelten Steine wird in Indien geschliffen
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