Nach dem Kongress und vorm Geschäftsabschluss ins Bordell
Um Kunden gnädig zu stimmen oder Mitarbeiter zu belohnen, laden Firmen in Rotlichtlokale. Ein Besuch bei Milieu-Kennern im Maxim.
Sich dem frivolen Treiben der Wiener Innenstadt hingeben, käuflicher Sex inklusive. Das ist vor Corona auf der Wunschliste einiger betuchter Geschäfts- und Kongressgäste aus Übersee gestanden, wenn sie in Wien weilten.
Oder wie es Roman Stern, der Geschäftsführer des Sex- und Stripclubs Maxim sagt: „Amerikaner oder Kanadier freuen sich, wenn sie drei Mal im Jahr eine Städtereise ins sündige Europa machen können. Dann geht es ins Bordell. Die informieren sich schon vorab im Internet und haben genaue Vorstellungen. Das wird genau geplant, wie bei einem Wochenend-Trip. Da gibt es für jeden Abend einen neuen Termin.“
Säulen, Spiegel, pompöse Möbel
Und in Wien führe der Weg internationaler Gäste oft in das Kellerlokal, mit angedeuteten antiken Säulen, Spiegelwänden und rot-goldenen barockartigen Möbeln. Dort wollen sie sich offenbar ein wenig wie Graf Danilo Danilowitsch aus Lehars „Lustiger Witwe“ fühlen, der sang: „Da geh ich zu Maxim, dort bin ich sehr intim“. Das Lokal wirkt ein wenig wie kleine Disco aus vergangenen Zeiten. Als die freizeit Stern und Rotlicht-Manager Peter Laskaris, der für das Maxim die Presse-Arbeit macht und gerne den Bad-Boy mit Sonnenbrille gibt, dort trifft, ist es eher ruhig.
Die Musik tönt, die Scheinwerfer blinken. Noch ist das Maxim nicht geöffnet, aber auch später werde es hier nicht so rund gehen wie vor der Krise. „Die internationalen Gäste fehlen einfach“, sagt Laskaris. „Dabei war 2019 ein Rekordjahr und 2020 hätte auch groß angefangen“, mein Stern. „Jetzt hat sich viel in die Illegalität verlagert – Geschäfte kommen über anonyme Online-Inserate zusammen.“
Laskaris sieht das ähnlich: „Während der Lockdowns haben sich viele Frauen mit illegaler Arbeit über Wasser gehalten.“ In Deutschland etwa ist außerdem die Zahl der Strafverfahren wegen Zwangsprostitution, Menschenhandel und Zuhälterei laut DPA förmlich explodiert. Ob das Ganze nach der Pandemie wieder in rechtlich geregelteren Bahnen, sei noch nicht absehbar, meint Laskaris, der gerade international für Schlagzeilen sorgt. Er hatte die Idee für eine Impf-Aktion in einem Wiener Bordell. Wer sich pieksen lässt, bekommt einen Etablissement-Gutschein oben drauf.
Sex auf Firmenkosten
Aber nicht nur angereiste Geschäftsreisende zieht es ins Puff. Generell gibt es Branchen, wo Sex auf Firmenkosten nicht verpönt ist, auch wenn das wie ein Klischee klingt. Eine Baufirma lädt nach Abschluss eines Projekts die Mitarbeiter ins Bordell. Innerhalb kürzester Zeit – auch der Alkohol ist gratis – kommt es zum Exzess. „Pfoah, da ist es zugegangen. Überall war wer zugange“, verrät einer, der dabei war.
Anderer Fall: ein Vertreter aus dem Ausland weiß, dass seine Firma ein wichtiger Kunde einer nicht unbedingt großen Werbeagentur ist. Und das zeigt er auch. Er lässt sich bei seinen Visiten nicht nur zum Essen einladen, auch das Puff muss immer bezahlt werden. Und das Büro spielt mit. Es sind nicht die einzigen Fälle. Viele kennen Geschichten. Nur so richtig reden wollen darüber die wenigsten. „Natürlich gibt es so etwas, dass man mit Geschäftskunden ins Bordell geht. Möglicherweise auch davor, um einen Geschäftsabschluss zu beeinflussen“, sagt Stern.
Wie das die Firma zahlt? „Da wird einfach viel über die Kreditkarte abgerechnet“, erklärt Laskaris. Die tatsächlichen Dienstleistungen stehen aber dann nicht auf der Rechnung. „Sagen wir einmal so: bei so einem Termin, können auch schon 25.000 Euro Umsatz zusammenkommen. Das wird dann etwa als Catering mit Speisen und Getränken verbucht.“ Weil ausweisen, dass man im Puff war, geht dann doch nicht.
Mitarbeiterin klagte
„In London, wo ich Mitte der 2000er gearbeitet habe, war es Gang und Gäbe, dass Banker am Abend in Stripclubs gegangen sind. Dann hat eine Frau geklagt, seitdem ist das unterbunden“, sagt Laskaris. Und er erklärt: „Ein Bordell ist einer der wenigen Orte, wo eine Frau nicht hineindarf. Sollte eine Polizeikontrolle stattfinden, kann hier schnell der Verdacht der Geheimprostitution entstehen.“
Der französische Prostitutionsexperte Grégoire Théry sagte einmal der Nachrichtenagentur AFP: „Es ist im Geschäftsmilieu weithin akzeptiert, dass eine Vertragsvereinbarung mit Hilfe einer angebotenen Prostituierten geschlossen wird, vor allem bei Verträgen zwischen öffentlichem und privatem Sektor und bei Ausschreibungen“. Das Zitat fiel im Umfeld des Prozesses gegen den damaligen IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn.
Dieser stand im Verdacht, bei gesponserten Sex-Partys an bandenmäßiger Zuhälterei beteiligt gewesen zu sein, wurde dann aber freigesprochen. Der Szenekenner Jean-Sébastien Mallet verwies damals gegenüber AFP auf Branchen, die ohnehin für Korruption bekannt seien, etwa den Bausektor, den Bereich Import-Export und die Erdölbranche. "In manchen arabischen Ländern wird sich ein Geschäftsmann, der in seinem Hotelzimmer kein Mädchen vorfindet, weigern, einen Vertrag zu unterzeichnen."
Das war 2016. Fünf Jahre, nachdem der Skandal der Hamburg Mannheimer-Versicherung aufgedeckt wurde. Für ihre 100 besten Vertreter organisierte das Unternehmen eine Sex-Party im traditionsreichen Gellert-Bad, das in ein Freiluft-Bordell verwandelt wurde. Vor allem sorgte für Entrüstung, dass Manager die Frauen mit Farbbändern nach „Nutzungsmöglichkeit“ markierten und dann nach „Benutzung“ abstempelten.
Steuerlich abgesetzt
Die Versicherung hat dann die Dienstleistungen – ohne Hinweis auf die tatsächlichen Aktivitäten – beim Finanzamt eingereicht. Wie die Welt berichtete, hatte „Hamburg-Mannheimer die Kosten in Höhe von 83 000 Euro vollständig steuerlich geltend gemacht und dadurch Gewinn und Steuerlast vermindert“.
Wohl kein Einzelfall. „Damals sind einige Firmen in den Osten gegangen“, meint Laskaris nüchtern.
Wie er auch generell einen nüchternen Blick auf die Prostitution in den Bordellen hat – verpackt in Milieusprache. Wenn er über die Branche spricht, fallen Sätze wie: „Die Frauen sind nicht bumsfidel, da stecken ganz klar wirtschaftliche Faktoren dahinter. Viele, die angemeldet arbeiten, kommen aus Ländern wie Rumänien. Die Lebenserhaltungskosten sind eklatant gestiegen, sie sind beinahe so hoch wie in Österreich. Das Einkommen liegt dort aber bei 350 Euro. Das ist ein Wahnsinn.“
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