Polyamorie: „Meine beiden Männer sind mittlerweile beste Freunde“
Die Wienerin Anna (34) erzählt von ihrem glücklichen Familienleben mit Ehemann und Lebensgefährte.
Mitten in Wien lebt Anna mit ihrem Ehemann Robert und ihrem Lebensgefährten Robin unter einem Dach. Gemeinsam ziehen sie drei Kinder groß: Annas elfjährigen Sohn aus ihrer ersten Ehe sowie die beiden kleinen (4 und 2), die sie mit ihrem Mann bekommen hat.
Als sie mit dem Jüngsten schwanger war, verliebte sich die 34-Jährige in den 27-jährigen Robin, einen IT-Fachmann.
„Ich habe meinem Mann gesagt, dass es sehr intensiv ist, aber dass ich ihn deswegen nicht weniger liebe und wir einen Weg finden müssen. Wenig später ist Robin bei uns eingezogen – und wir sind volle Kanne ins Familienleben gestartet.“ Die anfängliche Eifersucht der Männer – beide sind heterosexuell – konnte durch viel Kommunikation beseitigt werden. „Es ist wichtig, dass man die Eifersucht ablegt und sich freut, wenn die zwei anderen eine schöne Zeit haben. Vor Corona haben wir es so gemacht, dass wir einmal pro Monat zu dritt und einmal je zu zweit ausgegangen sind.“ Mit Robert macht sie gerne Sport, mit Robin teilt sie ihr Faible für Computerspiele. „Inzwischen sind meine beiden Männer beste Freunde.“
Die Schwiegereltern
Und liebende Väter für ihre Söhne. Ja, auch Robin betrachtet die Kinder als seine eigenen, übernimmt Elternpflichten, liest vor, tröstet, ist stolz. Die zwei Jüngsten nennen beide Papa, der Ältere erzählte schon in der Volksschule von seiner ungewöhnlichen Familie, die für ihn ganz normal ist. „Meine große Sorge war natürlich, dass er schief angeschaut wird. Aber die Lehrerinnen haben zum Glück toll reagiert, auch in der Neuen Mittelschule.“
Auch die jeweiligen Großeltern unterstützen Annas Familie und freuen sich, wenn sie zu dritt bzw. sechst auf Besuch kommen. „Es ist einfach kein Thema. Sie wollen alle nur, dass wir glücklich sind.“
"Wir haben kein aktiveres Sexleben als andere Jungeltern. Ja, es ist eine andere Form der Familie – ich sage immer, ich bin glücklich verheiratet und habe eine Partnerschaft."
Eine rechtmäßige Anerkennung der drei Elternteile – wie im Fall von Ian Jenkins’ Familie in Kalifornien (siehe oben) – würde sich auch Anna wünschen. „Auch eine Hochzeit zu dritt wäre schön, aber da werden wir wohl auf eine freie Trauung zurückgreifen müssen.“
Die Fotografin geht offen mit ihrem Lebensmodell um und hat Verständnis für neugierige Fragen. Nur so viel: Die drei teilen ein Familienbett, Sex findet aber nur zu zweit statt. Wie viele Polyamouröse kennt auch Anna das Vorurteil, ihr Beziehungsmodell drehe sich hauptsächlich um Sexualität. „Wir haben kein aktiveres Sexleben als andere Jungeltern. Ja, es ist eine andere Form der Familie – ich sage immer, ich bin glücklich verheiratet und habe eine Partnerschaft. Wir sind aber deswegen keine Schwerenöter, sondern eine Familie, die sich liebt.“
Anna wünscht sich, dass Familien wie ihre irgendwann niemanden mehr empören. In ihrem Bekanntenkreis wird sie manchmal sogar beneidet. „Viele Frauen sagen mir: Voll praktisch, du hast noch einen Mann, der dir mit den Kindern hilft.“
Begriffe
von polys (viele) und amor (Liebe), beschreibt den Wunsch nach einvernehmlichen Liebesbeziehungen mit mehr als einer Person zur selben Zeit.
meint die rechtliche Legalisierung von Mehrfachbeziehungen (umgangssprachlich: Vielehe) und ist aktuell in ca. 50 Ländern erlaubt – nicht aber in der westlichen Welt.
bezeichnet Familien mit zumindest einem homosexuellen Elternteil. Seit 2016 dürfen schwule und lesbische Paare in Österreich Kinder adoptieren, seit 2019 heiraten.
Seit 2015 haben lesbische Paare das Recht, mittels Samenspende und künstlicher Befruchtung ein Kind zu zeugen. Für schwule Männer ist dies schwieriger, weil Leihmutterschaft verboten ist.
Offiziell werden in Österreich nur zwei Elternteile offiziell anerkannt – zwei Frauen dann, wenn sie zuvor in einer Kinderwunschklinik behandelt wurden.
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