Gabriele Kuhn und Michael Hufnagl

Paaradox - Szenen einer Redaktionsehe: Grammel und Lippenstift

Gäbe es den Titel „Graknökö“ – für „Grammelknödelkönig“ – er hätte ihn. Und er würde ihn auskosten – während sie nur dasäße, um für seine Gallenblase zu beten.

Von Gabriele Kuhn & Michael Hufnagl

SIE

Schon einmal was  vom „Lippenstift-Index“ gehört? Ein ökonomisches Prognosetool, wonach erhöhte Lippenstiftkäufe ein Indiz für  Wirtschaftskrisen sein können. Lustigerweise muss ich dabei an den Mann gegenüber denken. Soweit ich es gesichert sagen kann, greift er in schwierigen Zeiten weniger zu Lippenstift als zu Grammelknödeln.  Sein männliches Unbewusstes muss wohl Fett horten, um das Überleben zu sichern, der Erhalt der Sippe ist da weniger ein Thema. Der Hufnagl’sche Grammelknödel-Index war zuletzt hoch, wenig verwunderlich: Der Herr hatte Gehprobleme, die in eine medizinische Schnitzeljagd führten. Ächzen, stöhnen und sinnieren. Irgendwann konnte ich mich nicht mehr beherrschen und raunte ein leises „Bei Presswehen würdest du fix ein 14-köpfiges Ärzteteam, zwei Mentaltrainer und fünf händchenhaltende Ehefrauen an deiner Seite brauchen."

Krisenkost

Ein bisserl böse, aber die Wahrheit, nichts als die Wahrheit. Zurück zur Psychologie der Krisenkost: Das fette Rund wirkt auf ihn beruhigend und beglückend, „Papas Little Helpers“, quasi. Ich habe nachgezählt: Auf die letzten sieben  Gasthausbesuche kamen acht Grammelknödelbestellungen. Wie sich das ausgeht? Nun, einmal orderte er doppelt. Das hatte  mit meinem Verweis auf seine kleinen Gallensteine zu tun, die im Zuge diverser Checks entdeckt wurden. Eine meiner Einwände, die ihn  aus dem Knödel-High katapultierten, das sich gerade sanft anbahnte. Seine Reaktion: Der Doktor hat gesagt, die machen nix. Ich erinnerte ihn an sein Talent zur selektiven Wahrnehmung und Selbst-Bescheißerei, ergänzte  mit einem  harschen „Noch nix!“ und setzte meinen besten Betroffenheitsblick auf. Nun hielt er inne, räusperte sich und rief den Ober: Geh’n S’, bringen Sie mir bitte noch eine kleine Portion von eh scho wissen! Der  Ober lächelte verschwörerisch.  Warum mir in jenem Moment das  Wort „Leber-Wickel“ durch den Kopf ging, weiß ich jetzt auch nicht.

ER

Ich hatte öfter  schon den Traum, dass eines Tages ein Verleger auf mich zukommt und mir seine sinnliche Idee kredenzt: „Herr Hufnagl, wir bräuchten in unserem kulinarischen Portfolio dringend einen Grammelknödel-Guide, und diesbezüglich wurden Sie uns empfohlen.“ Der Gedanke, wie ich als k. u. k. Verkoster (Knödel und Kraut) durchs Land reise, beseelt mich. Allerdings sollte mich meine Frau dabei eher nicht begleiten, weil es eine Satz-Beilage gibt, die im Schlemmer-Paradies ganz sicher nix verloren hat: Du weißt aber hoffentlich schon, wie viele Kalorien das hat?! Das verbunden mit einer Mimik, die mir augenblicklich das Gefühl vermittelt, dass es nach einem solchen Genuss-Spektakel nur eine Rettung für mich gäbe: eine dreiwöchige Getreidekur als Buße für Körper und Geist. Mit ihrem Credo: Ein bisserl Grammel-Bammel tät’ dir nicht schaden. Da hilft auch mein Hinweis nix, es könne  kein Zufall sein, dass in der Formulierung „gesünder leben“ das Wort „Sünde“ enthalten ist. Für solche  Betrachtungen ernte ich nichts außer Vorträge, vorzugsweise mit dem Einstieg: Mit zunehmendem Alter ist es wichtig, ….

Pyramiden-Thron

Dieser Effekt des Bewusstwerdens hat sich zuletzt leider verstärkt, seit gnä Kuhn an einem Heilsbringerort ihr Glück zwischen Bananencurry mit Brokkoli und Okraschoten-Bowl gefunden hat und überhaupt nicht mehr lachen mag, wenn ich frage, ob es dort gelegentlich auch gebackenen Ayurvedamer gab. Sie ist jetzt mehr Missionarin denn je. Ihre Grammeln sind Cashewkerne, ihr k. u. k. besteht aus Kichererbsen und Kurkumareis. Da thront sie stolz auf ihrer Ernährungspyramide, huldigt mit ihrem strahlendsten Jungbrunnen-Lächeln ihrer Vitalität und öffnet ihre Schatzkiste für Lebensweisheiten: Man tut schon einiges, wenn man manches lässt. In solchen Momenten bin ich froh, dass ich mir nicht überlegen muss, was ich meiner Frau zum 120. Geburtstag schenken soll.

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