
Schonungslos ehrlich: Das Geheimnis einer guten Beziehung?
Ehrlichkeit ist garantiert gut für die Liebe, meinen US-Forschende. Stimmt das? Und wann wird die Wahrheit zur Gefahr für eine Beziehung?
Es sind die großen Fragen der Liebe: Was verleiht einer Beziehung Beständigkeit? Wie stärkt man Vertrauen und echte Verbundenheit? Glaubt man neuesten US-Forschungen, ist Ehrlichkeit der Königsweg zu einer erfüllten Partnerschaft.
"Wahrheit kann wehtun, für Paare ist es das aber wert", postulieren Forschende der Universität Rochester. Eine pointierte These. Um dazu zu gelangen, lud das Team um Psychologin Bonnie Le über 200 Paare ins Labor der psychologischen Fakultät. Sie wurden zu Paargesprächen angeregt, in denen es ums Eingemachte gehen sollte: Bereiche der Beziehung, in denen man sich Veränderung vom Gegenüber wünscht.
Ehrlichkeit als Liebesgarant?
Je ehrlicher die Probandinnen und Probanden Veränderungswünsche preisgaben, desto wohler und zufriedener fühlten sich beide Partner, wie anschließende Befragungen ergaben. Und: Mit der wahrgenommenen Aufrichtigkeit stieg auch der Veränderungswille beim Gegenüber. Ehrlichkeit sei für Beziehungen von Vorteil, "selbst, wenn sie schmerzvoll sein kann", summiert Le.
Ehrlichkeit als Liebesgarant – immer und um jeden Preis also? "Ja und nein", sagt Paartherapeutin Katharina Henz. "Ja, weil, je mehr man sich darauf verlassen kann, dass das, was der Partner sagt, der Wahrheit entspricht, umso stärker das Vertrauen." Gleichzeitig sei das kein Freibrief, "alles ungefiltert auszusprechen, was man sich über den anderen denkt", schränkt die Expertin ein. Über den morgendlichen Mundgeruch des Partners zu ätzen, sei beispielsweise nicht hilfreich, potenziell sogar verletzend.
Grundsätzlich sei "Ehrlichkeit ein wesentlicher Wert in gelungenen Partnerschaften", ergänzt Paartherapeutin Maria Zima. Sie schaffe "Sicherheit und Verbindung und bestätigt die Liebe". Auch für Zima ist die Art, wie man Wahrheiten formuliert, zentral. "Man kann das auf zerstörerische, aber auch schonende, bestenfalls konstruktive und lösungswillige Art tun." Es sei wichtig, sich den Mehrwert einer Botschaft für die Beziehung zu überlegen.
Verzerrende Effekte
Die Aussagekraft der Studie sieht Henz teils kritisch. Die untersuchten Paare hatten angegeben, recht zufrieden in ihren Beziehungen zu sein. Ein potenziell verzerrender Faktor. "Auch allein die Tatsache, dass man von Studienleitern beobachtet wird, kann das eigene Verhalten beeinflussen."
Dass sich die Befunde auf kriselnde Beziehungen umlegen lassen, bezweifelt sie: "Je nach Schweregrad des Konfliktes kann man sich nicht einfach Ehrlichkeit verordnen." Es brauche ein Mindestmaß an Vertrauen, "um den Mut zu entwickeln, sich dem anderen zuzumuten und sicherzustellen, dass das Gegenüber diese Zumutung nicht als Sauerei erlebt, sondern als authentisches Angebot".
"Bei wenig stabilen Partnerschaften kann das Paar beim Ansprechen von heiklen Paarthemen in eine veritable Krise kommen", weiß auch Zima. Von den Erkenntnissen könnten verzweifelte Paare insofern profitieren, "indem sie sich ermutigen lassen, beziehungsrelevante Dinge anzusprechen und ehrliche Wünsche an den Partner zu formulieren".
Mut zur Authentizität
Warum fällt es oft schwer, Eigenschaften des Partners anzusprechen, die einem missfallen? "Das hat meist mit einem selbst zu tun", sagt Zima. Etwa mit der Angst vor Ablehnung, mangelnder Konfliktfähigkeit oder Verlustängsten. "Auch der Empfänger der Botschaft braucht Kompetenzen wie zuhören können, reflektieren und Bereitschaft zur Verhaltensänderung."
Henz plädiert dafür, sich eher in Authentizität als Ehrlichkeit zu üben. "Das bedeutet, sich dem anderen mit seinen Gefühlen zur Verfügung zu stellen, zu zeigen, wie es einem wirklich geht und dem anderen zuzutrauen, dass er damit umgehen kann."
Wichtiger als die beinharte Wahrheit sei laut Zima das gemeinsame Bemühen um Integrität, "also, den Wert der Ehrlichkeit leben zu wollen". Auch deshalb, weil Wahrheit selten objektiv, Ehrlichkeit aber immer ein Versuch sei, "dem anderen aufrichtig mitzuteilen, was man fühlt".
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