Trend-OP Brazilian Butt Lift: „Ein wohlgeformter Po ist die neue Brust“
Gesäßstraffungen werden auch in Österreich immer beliebter – obwohl der Eingriff als besonders riskant gilt.
Instagram hat eine Lieblingspose, und die geht so: ein Bein wird angewinkelt, ein Arm in die Hüfte gestemmt, der Rücken zum Hohlkreuz geformt, der Blick über die Schulter gerichtet – und all das nur, damit der Po, idealerweise prall und rund wie das Pfirsich-Emoji, auf Fotos schön zur Geltung kommt.
Das Gesäß gilt seit einigen Jahren als wichtigstes Attribut der körperbewussten Social-Media-Generation: Mit speziellen „Glutes Work-outs“ und formgebenden (Unter-) Hosen wird er aufgepolstert und hochgehoben – und immer öfter auch chirurgisch optimiert. Keine Schönheitsoperation ist weltweit derzeit so stark im Steigen wie das „Brazilian Butt Lift“ (siehe unten), benannt nach seinem Ursprungsland Brasilien.
Auch in Österreich sei der Trend eindeutig, berichtet Christian Wolf. In seinen Ordinationen in Wien und Salzburg führt der Facharzt für plastische Chirurgie inzwischen regelmäßig Glutealvergrößerungen, so der Fachbegriff, durch. „Immer mehr Frauen wollen einen runden Apfel-Po, das sieht man an den Patientenzahlen deutlich. Ein wohlgeformter Po ist einfach die neue Brust.“
Faktor Kardashian
Die typische Patientin sei zwischen 20 und 30 und wünsche „eine Korrektur ihres kleinen oder flachen Gesäßes“, berichtet der Arzt. Eine von ihnen ist die 42-jährige Ines P. (Vorname geändert). „Ich wollte einen festeren Po und mehr Rundungen. Zur OP habe ich mich kurzfristig entschieden“, erzählt sie.
Woher kommt der Hype? Ausgelöst wurde er wohl von Kurven-Ikone Kim Kardashian, die 2014 mit nacktem, eingeöltem Stockerlhintern auf dem Cover des Magazins Paper posierte und die Kunst des „Belfies“ (Butt Selfie) perfektionierte. (Sie bestreitet Implantate, gab aber die Verwendung von Fillern zu.) Stars wie Jennifer Lopez, Nicki Minaj oder Kardashian-Schwester Kylie Jenner trugen ebenfalls zur Ikonisierung der üppigen Sanduhr-Silhouette bei. Diese zeigt sich nicht nur in der virtuellen Welt – kaum eine junge Frau sonnt sich am Strand noch oben ohne, dafür werden Bikinihöschen knapper und knapper.
Zeitgeist
Im Wandel der Zeit galt ein voller Po immer wieder als Schönheitsideal, erläutert die Kommunikationswissenschafterin Katrin Döveling, die sich am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Hochschule Darmstadt unter anderem mit Körperbildern in den sozialen Medien befasst. „Er demonstrierte dem Auge des Betrachters, dass die Besitzerin wohlhabend und gut situiert war.“
Schuld ist auch die Evolution, wie ein Psychologenteam 2015 im Fachjournal Evolution and Human Behaviour festhielt: „Kurvige Becken“ würden attraktiv wirken, weil sie die Fruchtbarkeit einer Frau signalisieren.
„Der Po sendet sexuelle Signale, aber nicht so direkt wie andere Körperteile“, sagt Döveling. Einst diente das Korsett dazu, die Taille künstlich zu verschmälern und den Po zu betonen, „also genau das, was heute durch das Retuschieren von Fotos passiert“. Heute spricht die Expertin von einem digitalen Korsett: „Wir alle sind vernetzt, müssen es auch in Zeiten der Pandemie sein. Für viele Frauen heißt das, sie müssen sich zwangsläufig mit retuschierten Bildern von vermeintlich perfekten Körpern auseinandersetzen. Es ist ein Hype, der meines Erachtens nicht gesund ist.“ Denn im Zeitalter von Body Positivity sind Kurven zwar erwünscht, idealerweise aber definiert und richtig proportioniert.
Der Einfluss der sozialen Medien sei enorm, sagt auch Christian Wolf. „Ich bekomme oftmals Bilder von Idolen oder eben Beispiele aus Social Media gezeigt, wie denn der neue Po auszusehen hat. Beim Erstgespräch wird dann besprochen, ob das überhaupt zum Körper passt.“
Gefahren
Der ideale Po, schrieb der Guardian, zeichne sich durch einen 45-Grad-Winkel zwischen oberer Po-Backe und unterem Rücken aus. „Das Volumen sollte deutlich im seitlichen oberen Gesäßbereich sichtbar sein“, formuliert es Wolf. Wenn nicht genug Eigenfett an anderen Körperstellen vorhanden ist – pro Seite werden 300 bis 350 Milliliter benötigt –, wird mit Implantaten nachgeholfen.
Doch mit zunehmender Beliebtheit häufen sich Berichte über Risiken der künstlichen Gesäßvergrößerung. 2020 sorgte die Geschichte der US-Influencerin Joselyn Cano für Aufsehen, die an Komplikationen nach einer Po-Straffung in Kolumbien gestorben war. Kein Einzelfall: Laut einer Studie, 2017 im Aesthetic Surgery Journal erschienen, endet eines von 3.000 Butt Lifts tödlich.
„Es ist sicher einer der gefährlicheren Eingriffe“, räumt Wolf ein. Chirurgen müssten bei der Eigenfettinjektion mit besonderer Sorgfalt vorgehen, weil im Gesäß große Gefäße verlaufen, die zum Herzen führen. Gerät ein Fett-Pfropfen in die Blutbahn, kann es zu einer lebensgefährlichen Lungenembolie kommen.
Ein Risiko, das Ines P. in Kauf nahm. Mit ihrem gelifteten Po ist die Wienerin sehr zufrieden. Dass sich das Idealbild – wie bei Silikonbrüsten – rasch wieder ändern könnte, beunruhigt sie nicht. „Ich habe es nicht wegen des Schönheitsideals gemacht, sondern nur für mich.“
Hintergrund
Brazilian Butt Lift
Beim Brazilian Butt Lift (BBL) handelt es sich um eine chirurgische Vergrößerung bzw. Straffung des Gesäßes, die in Lateinamerika ihren Ursprung hat. Dafür gibt es drei Methoden: Injektionen mit Eigenfett, Implantate oder Filler. In der Regel finden die Eingriffe
ambulant unter Vollnarkose statt.
480.000 Po-Vergrößerungen
wurden 2019 weltweit durchgeführt (115.000 in Brasilien) – damit liegt der Eingriff im Ranking der häufigsten Schönheitsoperationen auf Platz 9. Die Anzahl der durchgeführten Butt Lifts stieg seit dem Jahr 2015 um 77,6 Prozent, meldet die International Society of Aesthetic Plastic Surgery (ISAPS)
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