
Marie Antoinettes einflussreicher Stil, der ihrer Mutter missfiel
Sie lebte in unglaublichem Prunk und hatte ihren eigenen Kopf. Eine Ausstellung zeigt den Einfluss von Marie Antoinette, den die französische Königin bis heute in der Mode- und Medienwelt hat.
"Der liebe Gott hat Sie mit einer Figur und so vielen Vorzügen ausgestattet und dem Ihre Güte hinzugefügt, da[ss] Ihnen alle Herzen zufliegen, wenn sie etwas unternehmen oder tun. […] ich fürchte nur Ihre Trägheit und Verschwendungssucht; das sind die einzigen Feinde, die Sie zu fürchten haben. Diese Worte schreibt Kaiserin Maria Theresia ihrer Tochter Maria Antonia, die später als berühmteste französische Königin in die Geschichte eingehen wird.
Die Oberflächlichkeiten und der Pomp ihrer Tochter stören die Mutter zeitlebens. Doch Marie Antoinette, wie sie in Frankreich genannt wird, hat ihren eigenen Kopf und lässt ihrem Charakter freien Lauf. „Eine Rebellin war sie nicht, dafür befolgte sie die Gepflogenheiten zu sehr. Aber sie scherte sich nicht um Politik und entsprach nicht den Wünschen ihrer Mutter“, erklärt Habsburger-Expertin Katrin Unterreiner.
Ausstellung über ihren Einfluss
Genau dieses Spannungsfeld – zwischen protziger Schlosswelt und echter Sehnsucht nach Freiheit – rückt nun das Victoria & Albert Museum in London ins Zentrum. Die Ausstellung „Marie Antoinette Style“ (ab 20. September) versammelt Objekte aus ihrem Besitz: funkelnde Schmuckstücke, handgeschriebene Briefe, Kleider, Porträts und Möbel, die ihre Persönlichkeit widerspiegeln.

Seiden-Slipper der Königin
©Musée Carnavalet / Roger-Viollet/Musée Carnavalet/Roger-Viollet
Reise-Parfum-Flakon von Marie Antoinette
©Grand Palais RMN (musée du Louvre)/Michel Urtado
Schmuck von Marie Antoinette: Broschen, hergestellt um 1770
Weg von den Nöten des Volkes
Als sie 1770 mit König Ludwig XVI. von Frankreich verheiratet wird, saugt der Hof die 14-Jährige sofort auf. Sie lebt in einer Blase in Schloss Versailles, weg von den Nöten der Bevölkerung. „Der Wiener Hof war im Vergleich zu Versailles reflektierter und nicht derart abgehoben“, sagt Unterreiner. Maria Theresia sei sich der Öffentlichkeitsarbeit beim Volk bewusst gewesen – ein Mittel zum Machterhalt.
Wie Gott in Frankreich Anders in Frankreich: „Dort war der König tatsächlich Gott gleich, nicht nur bildlich gesprochen“, so Unterreiner Die Königin bekam man in Paris nur selten zu Gesicht, was den Nährboden für unzählige Gerüchte lieferte.
Trendsetterin auf dem Hof
Am Hof galt sie als Trendsetterin mit Hang zur Exzentrik. Mit den Jahren setzte sie auf leichtere Stoffe, ließ sich lockere Gewänder schneidern und trug Frisuren, die ebenso verspielt wie auffällig waren. Das sorgte für Spott – die Königin zeige sich in Unterwäsche, wurde gescherzt – machte sie aber gleichzeitig zum Vorbild der Hofgesellschaft.
Ein Stück weit war sie wie Kim Kardashian in ihrer Realityshow: nie allein, immer unter Beobachtung, ständig unter modischem Zugzwang. Schon beim Aufstehen wurde sie von Dutzenden Hofbeamten beim Ankleiden begleitet. Jeder Schritt, jede Konversation, jede modische Neuerung: Antoinette wurde hofiert wie analysiert.

Gemälde von Marie Antoinette von Maler François Hubert Drouais (1773).
©©Victoria and Albert Museum, Lon/Victoria and Albert Museum, LondonMit den Jahren suchte sie sich jedoch im Hameau de la Reine einen Rückzugsort – ein idealisiertes Mini-Dorf im Park von Versailles, eigens für sie geschaffen. Dort trug sie Kleider aus weißem Musselin mit Rüschen an Ärmeln und dem Kragen und einer Schleife um die Taille – das war für die damalige Zeit äußerst leger und ungewöhnlich.
Als Hure verunglimpft
Als Inbegriff unbeschwerter Dekadenz gilt sie bis heute – wohl der Hauptgrund, warum die Österreicherin so starken Einfluss auf die Popkultur hat. Marie Antoinette taucht überall auf: in Sofia Coppolas quietschbunter Verfilmung mit Kirsten Dunst, in Biopics, in den Rokoko-Schuhen von Manolo Blahnik, in Modekollektionen von Dior bis Vivienne Westwood oder den jüngsten Entwürfen von Alessandro Michele für das Label Valentino.

Kate Moss als Antoinette in der US-Vogue im Jahr 2012. Das Kleid stammt von Alexander McQueen (unter Sarah Burton).
©Tim Walker
Moschino zeigte 2020 eine gesamte Kollektion, in der der Stil von Marie Antoinette modern interpretiert wurde.
©PIXELFORMULA/SIPA/ShutterstockSchimpfwort: Österreicherin
1789, als die Staatskassen leer waren und der Hof dennoch weiter auf Protz setzte, wurde Marie Antoinette „zum absoluten Feindbild der Bevölkerung“. Das hungrige Paris dichtete ihr immer wildere Geschichten an. Affären mit Frauen wurden ihr nachgesagt. „Sie wurde als Hure verunglimpft, aber für zahlreiche Affären gibt es keinerlei Belege. Abgesehen von einer innigen Nähe zu Graf Axel von Fersen, die aus Briefwechseln hervorgeht“, stellt Unterreiner klar.
Noch bis ins 19. Jahrhundert war L’Autrichienne – die Österreicherin – ein Schimpfwort. „Auf sie wurden am Ende alle Fehler der vorangegangenen Könige projiziert.“
Standhaft und reflektierter
Ihre eigene Rolle beginnt sie zu hinterfragen, als sie nach der Französischen Revolution für ein Jahr in Gefangenschaft ist. Wie reflektiert sie ihre Figur sieht, belegen Briefe. Gegen Anschuldigungen weiß sie sich zu wehren, sie will Standhaftigkeit zeigen.
Ihr tragisches Ende – durch eine Enthauptung – machte ihre Person endgültig zur Symbolfigur. Angeblich ging sie die Stufen zum Schafott in gleichmäßigem Rhythmus hinauf, als wären es die Treppen von Versailles. Genau dieses Bild – eine Frau, die zwischen Selbstinszenierung, Spott und Tragik schwebt – macht Marie Antoinette bis heute so faszinierend.
Kommentare