Gschwendtner: Was ein Papierschnitzel in der Wiener Küche verloren hat

Jürgen Gschwendtner kochte bei der freizeit.tafelnacht auf und hatte allerhand Geschichten mit im Gepäck.

Es kommt nicht mehr oft vor, dass alte Rezepte ein Revival erleben. So steht etwa Hummer auf den Speisekarten von heute, während Flusskrebse aus der Mode gekommen sind. Das war jedoch nicht immer so. „Zu Kaiserzeiten wurden die kleinen Tiere mit den Armen aus den Bächen gefischt und in großen Schalen zu Hofe serviert, bis ca. 1880 die Krebspest aus Amerika eingeschleppt wurde, die Bestände deutlich zurückgingen und Flusskrebse so in Vergessenheit gerieten.“ Einer, der das ändern will, ist Jürgen Gschwendtner.

Jürgen Gschwendtner und sein Team bei der freizeit.tafelnacht

©Kurier/Philipp Hutter

Der Spitzenkoch aus dem Meissl & Schadn hat sich voll und ganz der alten Wiener Küche verschrieben. So serviert er alles, was auch in der kaiserlichen Küche auf den Tisch kam. „Es ist mir ein Anliegen, die alten Rezepte zu finden und wiederzubeleben“. Seine Inspiration und die Ideen hinten den Rezepten bekommt er u. a. aus seinem wöchentlichen Geschichtsunterricht mit Historikerin Ingrid Haslinger mit der er „alte Rezepte und Bücher durchgeht und so Geschichte mit Handwerk vermischt“

Flusskrebs-Mayonnaise-Cocktail mit Grünem Spargel

©Kurier/Philipp Hutter

Seine bisher größte Entdeckung ist das Papierschnitzel. Ja richtig gelesen! „Vom Kalbsrücken wird ein dickes Stück angebraten, danach kommen Schwammerl, Zwiebeln, Petersilie, Zitronensaft und Butter hinein, dann wird es geflochten und in einem herzförmigen Backpapier im Ofen bei ca. 180°C sechs Minuten gegart, bis es innen rosa ist. Ein herrliches Rezept, das heute niemand mehr kennt.“

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Interview mit Küchenchef Jürgen Gschwendtner

Und so war es wenig verwunderlich, dass auch das Menü der gestrigen frezeit.tafelnacht an die Geschichten vergangener Zeiten angelehnt war. Es gab zwar kein Papierschnitzel, dafür aber Ganslleberterrine mit warmem Brioche, Königinnensuppe mit dreierlei Eierstich und Flusskrebs-Mayonnaise-Cocktail. Gschwendter achtet darauf, die Rezepte nur so wenig wie möglich zu verändern. Manchmal geht es aber nicht anders: So wurde das als Hauptgang gereichte Beiried „früher an großen Spießen zubereitet und direkt vom Spieß runtergeschnitten, damit es warm auf den Teller kommt“. Bei Gschwendtner kommt das Fleisch in einzelnen Stücken zu den Gästen, mit Rahmpolenta, Brokkoli-Gemüse und Mandeln – die Portionen waren dennoch enorm groß, trotzdem überzeugten sie im Geschmack.

Der Hauptgang wird angerichtet: Beirind im Ganzen gebraten, dazu cremige Rahmkräuter-Polenta und Mandelbutter-Brokkoli

©Kurier/Philipp Hutter

Wichtig ist vor allem der Faktor Zeit für Gschwendtner „Die ursprüngliche Wiener Küche ist eine gekochte Küche und nicht, wie jetzt oft beliebt, eine schnelle. Hier gibt es kein Schnell, eine gute Suppe dauert nun mal fünf Stunden“. Durch Corona sieht er jedoch eine Veränderung im Kochverhalten der Leute, da sie sich „wieder mehr Zeit für das Kochen nehmen und alte Klassiker selbst zubereiten“.

Besonders am Herzen liegt dem Spitzenkoch die servierte Nachspeise, die Sisi-Eisbombe. „Eisbomben hatten oft berühmte Namensgeber. Nur eine Sisi-Eisbombe hat es nicht gegeben.“ Und so kreierte der Spitzenkoch ein Veilchenparfait, das den Gästen der freizeit.tafelnacht auf der Zunge zerging.

Die kleinere Version der Sisi Eisbombe

©Kurier/Philipp Hutter

Und auch privat liebt der Spitzenkoch die Wiener Küche: „Ich esse jeden Tag ein Schnitzel mit lauwarmem Erdäpfelsalat. Die Wiener Küche ist eben mein Lifestyle“.

Alle Eindrücke der gestrigen freizeit.tafelnacht:

Veronika Dienersberger

Über Veronika Dienersberger

Digital Producer bei freizeit.at, dem Digitalformat der KURIER freizeit. Die gebürtige Münchnerin studierte Content Produktion und Digitales Medienmanagement an der FH Wien und war zuletzt bei der MG Mediengruppe Online-Chefredakteurin. Sie liebt Reisen, gutes Essen und Musik.

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