
Wie der "Ozempic-Effekt" die Gastronomie verändert
Weniger essen, früher satt: Der Erfolg der Abnehmspritzen wirkt sich auch auf die Restaurantbranche aus.
Weniger Hunger, dafür weniger Gewicht: Der Einsatz von Ozempic, Wegovy und anderen Appetithemmern wird immer beliebter - mit bisher nicht bedachten Folgen: In den USA und Großbritannien zeigen sich bereits Auwirkungen auf die Restaurantkultur. Sogar von von einem "Ozempic-Effekt" ist bereits die Rede.
Denn was gut ist für die Gesundheit der Betroffenen, die mit Hilfe der "Abnehmspritze" ihr mitunter hohes Übergewicht reduzieren können, macht sich in den Bestellungen bemerkbar. Dabei liegt die Einführung des rezeptpflichtigen Medikaments erst kurze Zeit zurück. Doch mit anhaltendem Erfolg wird gerechnet. Die US-Analysten von Morgan Stanley schätzen, dass allein in den USA bis 2035 24 Millionen Menschen (ca. 7 % der US-Einwohner) ein Abnehmmedikament verwenden werden. Manche Medien wie etwa der britische The Telegraph sehen daher nachhaltige Veränderungen für die Gastro-Branche heraufziehen.
Was nämlich bereits jetzt auffällt: Es wird weniger bestellt. Das betrifft nicht nur die Hauptspeisen, sondern vor allem Desserts, die in vielen Restaurants bisher als fixer Menüabschluss galten. Doch bei wem dank Ozempic die Sättigung deutlich früher eintritt, lässt den meist süßen Abschluss weg.
Einige Köche reagieren bereits
Manche Köche passen sich mittlerweile den neuen Gegebenheiten an - und servieren die bekannt üppigen Desserts einfach in kleineren Portionen. Chefkoch Stevie Parle, der jüngst ein neues Restaurant im trendigen Distrikt Covent Garden in London eröffnete, bietet seine bekannten Puddings nun auch in Mini-Versionen an.
Anderen Gästen, die die Abnehmspritze verwenden, wiederum kommt das derzeit beliebte Sharing-Konzept zugute. Es werden also einfach mehrere Vor- und Hauptspeisen bestellt, von denen jeder ein wenig isst, wenn eine Gruppe gemeinsam ausgeht. Oder man sucht gezielt nach Restaurants, in denen nur kleine Portionen serviert werden. Das komme zudem jenen entgegen, die gerne verschiedene Speisen kosten, befindet man in der New York Times. Und: "Es ist nicht so offensichtlich, wenn man nicht aufisst. Wenn alle zusammen essen, ist es nicht so unangenehm, etwas übrigzulassen", wird ein Ocempic-Patient zitiert.

Neue Strategien: Ausreden erfinden
Andere, die gerne Restaurants besuchen, gehen wieder offensiv mit ihrer Medikation um und informieren das Personal. Niemand solle glauben, dass es nicht schmeckt, weil man den Hauptanteil übrig lasse.
Manche erfinden sogar Ausreden, warum sie so wenig essen, weiß die Internistin Johanna Brix, Leiterin der Adipositas-Ambulanz im Klinikum Landstraße und im Vorstand der Österreichischen Adipositasgesellschaft. Die soziale Komponente sei nicht unwesentlich, werde aber noch zu wenig bedacht. Von ihren Patienten hört sie das in Zusammenhang mit Restaurantbesuchen oft. "Einerseits freuen sie sich, dass sie so gut abnehmen. Andererseits fragen Freunde bei gemeinsamen Essen, ob es ihnen nicht gut geht, weil sie so wenig essen."
Patienten betonen positive Erlebnisse
Dabei sei das Gegenteil der Fall, die Patienten betonen eher das positive Erlebnis: Dass sie nicht das Bedürfnis haben, mehr zu essen. "Endlich fühlen sie sich mit wenig Essen satt. Dass zu viel am Teller ist, ist für diese Patientengruppe eine positive Erfahrung."
In Studien hat sich auch gezeigt, dass das Medikament sogar den Geschmack verändert: Weg von süß und salzig, dafür tendenziell in Richtung Gesundes. "Die Rezeptoren werden durch das Medikament anders besetzt", erklärt Brix den Effekt. Das veränderte Essverhalten verändert generell die Modalitäten des Weggehens und Freundetreffens. "Statt zu Kaffee und Kuchen treffen sich manche jetzt eben auf ein Glas Wein."
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