Von Schnauze bis Schwanzerl: Wie man das ganze Schwein verarbeitet

Die meisten Teile des Schweins isst man hierzulande nur als Silvester-Süßigkeit. Dabei wäre es ein kulinarisch lohnender Vorsatz, sich am Herd auch einmal Schnauze und Schwanzerl zu widmen.

Die Liebe der Österreicher zum Schwein ist unersättlich. Allerdings wendet man hierzulande den meisten Teilen des Schweins 364 Tage im Jahr den Rücken zu. Nur zu Silvester wird das ganze Schwein verzehrt, und auch da von den meisten nur, wenn es aus Marzipan ist. Dabei steckt zum Beispiel im Sauschädel mit seiner Schnauze, seinen Öhrchen, seinen Backen und dem Hirn – ja, dem Hirn, dem am besten durchbluteten Teil des Tieres mit seinem typischen, leicht metallischen Geschmack – viel kulinarisches Potenzial. Die Philosophie des „From Nose to Tail“ hat sich in Österreich leider noch nicht wirklich durchgesetzt, vielleicht verstehen die Österreicherinnen und Österreicher ihr geliebtes Schwein zu wenig.

Um diese Frage drehte sich auch der Koch.Campus, ein periodisch stattfindendes Treffen der gescheitesten und besten Küchenchefs und einiger sehr guter Produzenten, diesen Herbst in Trautmannsdorf. Das Thema: Schwein und was man daraus macht. Schon beim Fett scheiden sich die Geister. Was man lange Zeit verächtlich „durchzogen“ nannte, wird heute viel eleganter mit „marmoriert“ beschrieben – und das ist Ergebnis aufwendiger Arbeit des Züchters und guter Fütterung. Vor allem ist es aber Belohnung für ein langes Leben, das nur wenige Züchter ihren Tieren angedeihen lassen, bevor es an die – hoffentlich empathische und stresslose – Schlachtung geht. Fett verleiht dem Braten Geschmack und Saftigkeit, während feine Muskelfasern das Fleisch mürbe machen. Die von der Marketingorganisation AMA erstellte Klassifizierung von Schweinefleisch betrachtet Qualität gleich dem Fleischanteil und ignoriert die Güte des Fetts, sie wird deshalb von Spitzenköchen wie Züchtern mit Skepsis gesehen.

Produzenten und Restaurants

Produzenten
– Höllerschmid, 3492 Wal- kersdorf, hoellerschmid.at  
– Labonca, 8291 Burgau, labonca.at
Restaurants
– Steirereck am Stadtpark, 1030 Wien, steirereck.at
– Fink & Haberl, 8262 Walkersdorf, finks-haberl.at

Der Fleischhauer Manfred Höllerschmid beliefert mit seinem Ötscherblickschwein einige der besten Köche Österreichs, darunter Thomas Dorfer im Landhaus Bacher oder Alain Weissgerber im Taubenkobel. Auf die Frage, was die Qualität seines Schweinefleisches, das mit der feinen Marmorierung ein wenig aussieht wie japanisches Kobe-Beef, ausmache, sagt er: „Es ist immer eine Mischung aus Rasse und Fütterung (Gerste!). Und der den Tieren zur Verfügung stehende Platz, das trifft auf alle Nutztiere zu, also auch auf Schweine. Unser Bauer lässt Schweine wirklich in einem Stall aufwachsen, von dem man den Ötscher sieht, daher der Name, er bekommt für das Kilo einen Euro mehr, als es der Marktpreis vorsehen würde.“ Es handelt sich um eine Kreuzung aus Duroc und Edelschwein. Bei einer Verkostung von rohem und gebratenem Schweinefleisch belegt das Ötscherblick-Schwein jedenfalls Rang 1. Höllerschmid: „Qualität kommt auch von stressfreier Schlachtung. Ein hoher pH-Wert bedeutet weniger Stress, er sollte so um sechs oder darüber liegen.“ Im Supermarkt wird dieser Wert beim Schweinefleisch nicht angegeben.

Wenig Bio-Landwirtschaft

Zu wenige Schweine führen ein halbwegs würdiges Leben vor dem Tod, der Anteil an biologischer Landwirtschaft in Österreich ist mit drei Prozent viel zu niedrig, da ginge viel mehr, sagt der steirische Labonca-Bio-Schweinezüchter Norbert Hackl. Für ihn war die Umstellung von konventioneller Landwirtschaft auf Bio auch eine wirtschaftliche: „Seit dem EU-Beitritt befinden sich die Preise für konventionelles Schweinefleisch im freien Fall.“ Auf Labonca leben die Schweine das ganze Jahr über in kleinen Gruppen auf einem 300.000 Quadratmeter großen Areal. Bevor es an die Schlachtung geht, kommen sie für einige Wochen auf eine Weide, von der es direkt ins Schlachthaus geht.

Zurück zum Thema „Schnauze bis Schwanz“: Die meisten der bei uns geschmähten Köstlichkeiten werden nach China verkauft, wo man sie zu schätzen weiß. Schweinsohren oder gefüllte Schweinsfüße gelten aber auch in der Lyonnaiser Küche als Spezialität und werden dort in jedem zweiten Bistro (in Lyon heißen sie Bouchons) serviert. Beim Koch.Campus zeigten Hans Peter Fink und Heinz Reitbauer, was damit möglich ist.

Neujahrsvorsatz: Den Fleischhauer um eine Lieferung aus der Abteilung „Schnauze bis Schwanz“ bitten. Aus Respekt vor dem geliebten Schwein. Und weil es so wunderbar schmecken kann.

Rezept 1: Steirische Beuscherlsuppe (H.P. Fink)

©HELGE KIRCHBERGER Photography

Zutaten

Lunge, Herz, 1–2 Zungen vom Schwein aus guter Haltung (bei Innereien besonders wichtig!)
200 g Sellerie gewürfelt
200 g Karotte gewürfelt
Salz, Pfeffer aus der Mühle, Chilipaste
1 TL Pfefferkörner, Lorbeer
50 g Schmalz oder Sonnenblumenöl
2 Zwiebeln gehackt
4 Knoblauchzehen fein gehackt
2 Rote Paprika fein gewürfelt
2 Essiggurkerl  fein gehackt
1 EL Tomatenmark, 2 EL Paprikapulver
40 ml Apfelessig
1 TL brauner Zucker
300 ml Rotwein
Gewürzmischung aus  Majoran, circa 20 g Gemüse-Suppenpulver, gehacktem Zitronenthymian, fein geschnittenem Zweigerl Liebstöckel,  Chilipaste, geriebene Schale von halber Zitrone, je einer Messerspitze gemahlener Kümmel und Piment
2 EL Maisstärke, 250 g Sauerrahm

Zubereitung

- Lunge, Herz und die Zunge(n) in sechs Liter Wasser kalt zustellen. Sellerie und Karotte zugeben,  salzen und aufkochen, den Schaum abschöpfen, etwa eineinhalb Stunden köcheln lassen
- Nach einer Stunde Pfefferkörner und zwei Lorbeer zugeben, weitergaren. Die Lunge ist meistens zwanzig Minuten früher fertig als Zunge und Herz. Innereien aus der Suppe nehmen, abkühlen lassen, von Röhren befreien. Sobald sie kalt sind (notfalls in den Kühlschrank stellen), in feine Streifen von zwei bis drei Millimeter schneiden
- Den Fond von Innereien und Gemüse abseihen. Im Schmalz (oder Öl) die Zwiebel und den Knoblauch hell anschwitzen;  Paprika und Essiggurkerl dazugeben, eine Minute mitbraten; Tomatenmark und Paprikapulver dazugeben, mit dem Apfelessig ablöschen und kurz einkochen. Braunen Zucker dazugeben, dann den Rotwein, wieder etwas einkochen, drei Liter des Fonds dazugeben und zwanzig Minuten langsam einkochen
- Gewürzmischung hinzufügen. Mit Maisstärke und 100 ml Wasser binden, Sauerrahm dazugeben, umrühren und eventuell mixen. Mit Pfeffer und Chilipaste würzen und abschmecken. Die Suppe sollte nicht zu dick sein und eine schöne Schärfe besitzen
- Das geschnittene Beuscherl dazugeben, erwärmen und alles in heißen Suppentellern anrichten. Semmelknödel oder Semmeln dazu servieren; frischer Majoran, Pfeffer aus der Mühle und Schnittlauch obendrauf streuen

Dieses Rezept lernte Spitzenkoch Hans Peter Fink von seiner Oma und seinem Vater. Diese steirische Spezialität holte man früher aus den Gasthäusern auch für zu Hause mit Milchkannen ab. Die Finks kochten davon gut neunzig Liter am Sonntag, dazu gab es 200 Stück Steirische Langsemmeln.

Hans Peter Fink lobt die Innereien des Schweins. Auf dem Bild links zeigt er eine gegrillte Niere.

©HELGE KIRCHBERGER Photography

Rezept 2: Schweinsschlepp (H. Reitbauer)

©HELGE KIRCHBERGER Photography

Zutaten

1 kg Schweinsknochen
Öl, Majoran,  schwarzer Pfeffer, Salz, Maizena  
2 Schweinsschlepp (Schwanz) von Borsten befreit
1 Karotte und 1 Sellerie würfelig geschnitten
3 Knoblauchzehen angedrückt
2 Zwiebel grob geschnitten
1 Lauch nur das Weiße, geschnitten
Tomatenmark
Rotwein  zum Ablöschen
3 Schalotten grob geschnitten
40 g Ingwer, 2 Stk. Zitronengras
200 ml weißer Portwein

Zubereitung

- Schweinsknochen mit etwas Öl benetzen und bei 190 Grad im Rohr vierzig Minuten dunkelbraun rösten
- Einen Schweinsschlepp mit Salz würzen und in einem Schmortopf mit etwas Öl bei großer Hitze von allen Seiten anbraten
- Schlepp herausnehmen. Karotte, Sellerie, Knoblauch und Lauch im Topf für fünfzehn Minuten rösten. Tomatenmark dazu, weitere fünf Minuten rösten, mit Rotwein ablöschen, beinahe zur Gänze einkochen
- Mit drei Liter Wasser auffüllen, Majoran,  Pfeffer und Salz dazugeben, Schweinsschlepp und Knochen hinzufügen. Zudecken und für neunzig Minuten leicht köcheln lassen
- Schweinsschlepp aus dem Fond heben und auf  Backpapier im Kühlschrank mindestens vier Stunden erkalten lassen. Dabei darauf achten, dass der Schlepp gerade liegt. Dann mit einem Messer in zirka acht Zentimeter lange Stücke portionieren. Die portionierten Stücke von allen Seiten an der Schwarte einschneiden (ziselieren)
- Für die Glasur Schalotten in Öl bei mittlerer Hitze hellbraun rösten. Ingwer und Zitronengras kurz mitrösten. Mit dem Portwein ablöschen und zur Gänze einkochen lassen. Mit zwei Liter Fond auffüllen und auf die Hälfte einkochen. - Mit Salz abschmecken und mit Maizena zu einer dickflüssigen Glasur binden
- Schweinsschlepp mit einem Metallspieß am Knorpel vorbei aufspießen und über einer Buchenholzglut von allen Seiten knusprig grillen, bis die Schwarte möglichst aufpufft, mit der Glasur glasieren und mit gehacktem Liebstöckel bestreuen
- Alternative Zubereitung: Den Schlepp im Backofen knusprig grillen

Heinz Reitbauer empfiehlt zu seinem Rezept Beilagen, die dem Fett kräftig Kontra geben, also Säure, Schärfe und Frische. Eventuell – wie auf dem Bild oben zu sehen – jungen Sellerie mit Kräutern wie Anis, Koriandersamen, Fenchelsamen und Verbene mit Hühnerfond, Verjus und Pernod schmoren. Es kann auch ein einfacher Krautsalat sein, bei dem man auf den Speck verzichtet. Mit  frisch geriebenem Kren garnieren

Heinz Reitbauer bereitet Schweinsschlepp am Spieß zu.

©HELGE KIRCHBERGER Photography

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