Lee McKendrick at the Wasabi Farm

Grünes Gold: Das Erfolgsgeheimnis des britischen Wasabi-Farmers

Mit der grünen Knolle aus Japan wurden in Europa 457 Millionen Euro erwirtschaftet – Tendenz steigend. Für Landwirte wäre die Wasabi-Pflanze ein Traumprodukt, gäbe es nicht die Herausforderung beim Anbau. Die freizeit hat jene Farm in England besucht, der es als Erste Europas doch gelang.

Als versierte Wahlbritin hat man den Regenschirm stets bereit; zu oft hat einen der Wolkenbruch aus gerade noch heiterem Himmel überrascht. Aber die Aufforderung zum Farmrundgang in Südengland – an einem Sonnentag, während einer Dürreperiode – in Gummistiefeln zu erscheinen, überrascht dennoch.

Die Bitte erklärt sich kurz nachdem man den Farmeingang am Ende der rumpeligen Landstraße erreicht hat.

Mit breitem Lächeln – und ebenfalls in Gummistiefeln – nimmt einen Produktionsleiter Lee McKendrick in Empfang. Er führt an Geländewagen und Holzhütte vorbei zum ersten Folientunnel, hebt das Schutznetz an, sodass man besser eintreten kann.

Wasabipflanzen im Wasserbeet

Wasabi muss nah am Wasser angebaut werden. 

©Anna-Maria Bauer

Und dann erstrecken sich vor einem perfekt parallel geformten Kieshügel, auf denen üppige großblättrige Pflanzen wuchern. In den Trampelpfaden dazwischen: knöcheltief transparentes Quellwasser. „Willkommen“, sagt Lee, „bei der Wasabi Company“. Europas erster und Englands einziger Wasabi-Farm.

Grüner Trüffel auf Erfolgskurs

Seit 1958 mit dem „Takara“ in der Pariser Rue Molière nicht nur das erste Sushi-Restaurant Frankreichs, sondern des gesamten Kontinents eröffnete, ist die japanische Kochtradition in Europa auf Erfolgskurs – und mit ihr die scharfe grüne Paste, die in den Asia-Restaurants gerne neben California-Maki oder Thunfisch-Sashimi in Tröpfchenform auf pinkem Ingwerbett serviert wird: Wasabi, der Trüffel Japans.

Top Sushi Restaurants in Österreich

Lust auf Sashimi, Sushi und Maki?

Mochi
Der Klassiker:  Authentische japanische Küche mit modernem Twist.
Praterstraße 15, 1020 Wien

UNKAI
Aromatisches Teppanyaki,  am Wochenende köstlicher Sushi-Brunch.
Kärntner Ring 9, 1010 Wien

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Hochwertige japanische Spezialitäten wie Rogen vom fliegenden Fisch. 
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In seinem Ursprungsland ist die Pflanze seit jeher verbreitet. Bereits 14.000 v. Chr., so ergaben neueste archäologische Erkenntnisse, dürfte wilder Wasabi (Wasabia japonica) entlang kühler Gebirgsbäche gewachsen sein. Zumindest seit dem 8. Jahrhundert weiß man um seine verdauungsfördernde sowie antibakterielle Wirkung. Und spätestens mit der Edo-Zeit (1603–1868) wurde es fester Bestandteil der japanischen Küche.

Scharf auf Schärfe 

Vergangenes Jahr hat nun auch der europäische Wasabi-Markt 457 Millionen Euro eingebracht. Bis 2032 soll der Umsatz auf 737 Millionen Euro anwachsen. Die hohe Nachfrage hat den Preis in die Höhe getrieben. Ein Kilo Wasabi kommt mittlerweile auf rund 200 Euro. Das ist in etwa hundert Mal so viel wie für ein Kilogramm Erdäpfel.

Wasabipflanze auf Holztische

Die Wasabipflanze braucht 18 bis 24 Monate bis zur Reife.

©Anna-Maria Bauer

Für heimische Landwirte wäre die Wasabipflanze damit eigentlich ein Traumprodukt. Doch wie Fans der Amazon-Serie „Clarksons Farm“ wissen, nachdem sie Motor-Journalist und Promi-Bauer Jeremy Clarkson in Staffel eins, Episode sieben beim Scheitern zusehen konnten: Die Pflanze macht es dem Anbauer nicht leicht. Denn Wasabi mag es nicht nur kühl und ausnehmend schattig. In Japan wächst die Pflanze bevorzugt im Schatten der Sicheltanne. Die Wasabi-Pflanze braucht außerdem 18 bis 24 Monate bis zur Ernte – ein ungewöhnlich langer Zeitraum, in dem nichts schiefgehen darf. Und: Weil sie eine Wasserpflanze ist, müssen die Wurzeln stets von Wasser umspült sein.

„Wichtig“, sagt Lee McKendrick, während er zwischen den Wasabi-Reihen entlangschreitet, „ist, dass das Wasser fließt“. Der 35-Jährige zeigt auf das kleine Rohr, aus dem frisches Flusswasser sprudelt. „Sonst kommt es schnell zu Fäulnis.“ Er geht in die Knie, hebt ein Dessertteller-großes Blatt und inspiziert den Stängelansatz darunter, nickt, richtet sich wieder auf. „Man muss achtsam sein und gleichzeitig geduldig.“

Die perfekten Bedingungen 

„Und natürlich“, setzt sein Kollege Josh an, der am Ende des Tunnels neue, zarte Pflänzchen ins Kiesbeet setzt. Mit ernster Miene fährt er fort: „Die wichtigste Zutat“ – nun kann er sich das Grinsen doch nicht verkneifen: „Man muss mit den Pflanzen sprechen.“ Die Kraft des Zuflüstern mag umstritten sein, doch tatsächlich trifft die Wasabi-Pflanze auf diesem Fleckchen Südenglands auf ideale Bedingungen.

Wasabi-Farmer Josh

Wasabi-Farmer Josh mit ausgewachsener Pflanze.

©Anna-Maria Bauer

In den 1850er-Jahren wurden in den Grafschaften Hampshire und Dorset, entlang klarer Kalkflüsse, flache, von Wasser umspülte Kiesbeete aufgeschüttet, um Brunnenkresse anzubauen. Reich an Vitamin C und mit erfrischend pfeffrigem Geschmack galt Brunnenkresse im viktorianischen England als „Superfood“. So wichtig war die Lieferung nach London, dass die Zuglinie aus dem Süden den Spitznamen „Watercress Line“ erhielt.

2010 besuchte ein Spitzenkoch die Brunnenkresse-Felder des britschen Farmers Jon Old und bemerkte – fast beiläufig – dass die Anbau-Bedingungen jenen der Wasabi-Pflanze überraschend ähnlich seien. Noch im selben Herbst pflanzten Jon Old und sein Team die ersten Pflanzen aus Japan. Als eineinhalb Jahre später die ersten ausgewachsenen Knollen aus dem Kiesbeet gezogen werden konnten, war er der Erste in Europa, dem der Anbau gelang.

Dreizehn Jahre später gibt es weiterhin nur eine Handvoll Produzenten in Europa. Seit 2017 mischt auch Österreich mit. Im Südburgenland hat Martin Parapatits eine vertikale Indoor-Farm realisiert. Mit moderner Technologie, nachhaltig und wassersparend wachsen auf drei Etagen rund 80.000 Wasabi-Pflanzen, deren Knollen nach der Ernte zu Pasten oder Pulver verarbeitet werden.

Von Wodka bis Anbausets

Jon Old ist hingegen weiterhin einer der wenigen, der Wasabi auf traditionellen Feldern kultiviert. Seine Knollen verkauft er nicht nur an die besten Asia-Restaurants Londons, sondern über seinen Online-Shop (thewasabicompany.co.uk) auch an Privatkunden. Neben Wasabi-Pulver, Wasabi-Mayonnaise oder – seit Kurzem – sogar Wasabi-Wodka, können Experimentierfreudige, die sich von den Anbaubedingungen nicht abschrecken lassen, auch Wasabi-Anbau-Sets erstehen.

Wussen Sie, dass...

. . . Wasabi in der Sojasauce in  Japaner als Anfängerfehler gilt? 
In der traditionellen japanischen  Sushi-Kultur wird Wasabi direkt auf das Sushi aufgetragen.

. . .  Wasabi antibakteriell ist? 
Die Senföle der Wasabi-Pflanze 
hemmen das Wachstum bestimmter Bakterien. Deshalb wurde sie historisch gerne gemeinsam mit rohem Fisch verzehrt.

. . . der meiste Wasabi in Sushi-Lokalen gar kein Wasabi ist?
Vielmehr ist es eine Mischung aus Kren, Senfpulver und grüner Lebensmittelfarbe – denn Wasabi ist schwer anzubauen und deshalb teuer.
 

Aber wie schmeckt echter, frischer Wasabi nun wirklich? Denn aufgrund der hohen Preise wird in vielen Sushi-Restaurants eine billigere Kopie angeboten, eine Mischung aus Kren, Senf und grüner Lebensmittelfarbe.

Probierfreudig 

„Bereit für die Verkostung?“, fragt Josh und zieht eine besonders hohe Pflanze aus dem Kiesbeet. Mit dem Taschenmesser trennt er Stängel und braune Wurzelteile ab, wäscht die Knolle. Dann trägt er die äußerste Schicht ab, bis das leuchtend grüne Rhizom, der Wurzelstock, zum Vorschein kommt und lässt die geschälte Spitze in routinierten Kreisbewegungen über die Reibe gleiten. Fast augenblicklich entsteht ein überraschend luftiger, grüner Schaum.

Wasabiknolle mit Reibe

Die Wasabiknolle wird mit einer speziellen Reibe zu Schaum gerieben.

©Anna-Maria Bauer

„Fang lieber vorsichtig an“, rät Lee. Also taucht man nur die Spitze des kleinen Fingers in den Schaum. Schon der Geruch ist anders: scharf, aber feiner, pflanzlicher, weniger aggressiver. Die Struktur ist im Mund cremig, fast fluffig. Da sind Noten von Spinat, aber auch von Radieschen.

Und dann – huch! – ist da eine unerwartete Schärfe. Eine, die nicht wie Chili im Mundraum brennt, sondern fast blitzartig in die Nase zieht. Ein paar Sekunden später ist sie jedoch komplett verschwunden. Zurück bleibt ein süßlicher Nachgeschmack und eine nahezu surreal frische Kühle. Vorsichtig möchte man wissen: „Kann ich noch ein bisschen probieren?“

Josh grinst. Als versierter Wasabi-Farmer hält er die nächste Kostprobe schon bereit.

Anna-Maria Bauer

Über Anna-Maria Bauer

Wienerin und Weltenbummlerin. Leseratte und leidenschaftliche Kinogeherin. Nach Zwischenstopps in London und als Lehrerin in der Wien-Chronik angekommen. Interessiert an Menschen, die bewegen, begeistern oder entsetzen; an ungewöhnlichen Ideen und interessanten Unmöglichkeiten. "Nichts ist verblüffender als die einfache Wahrheit, nichts ist exotischer als unsere Umwelt, nichts ist phantasievoller als die Sachlichkeit." Egon Erwin Kisch: Der rasende Reporter.

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