Das Interieur eines leeren Diners mit roten Barhockern und Neonreklame.

Comeback im Neonlicht: Die Diner sind in New York wieder angesagt

Endloser Kaffee-Nachschub, fettiges Essen und Popkultur-Ikonen. Lange sah es so aus, als würden Diner verschwinden. Doch in New York sind die Lokale wieder angesagt.

Charlie Sheen sitzt in der neuen Netflix-Doku über sein Leben voller Abstürze nicht im Scheinwerferlicht einer Hochglanzkulisse, sondern in einem typischen US-Diner. Gepolsterte Kunstledersitze. Kaffee, der nicht wirklich wirkt, aber in Strömen nachgeschenkt wird. 

Neonlichter flackern, Rollos hängen im Hintergrund. Vor ihm: rote und gelbe Plastikflaschen für Ketchup und Senf, so ikonisch wie billig.

Man könnte meinen: abgewrackter Typ in abgewracktem Lokal. In diesen rund um die Uhr geöffneten Hütten, in denen sich Fett an den Dunstabzugshauben sammelt, wo Pommes in öligen Wannen zum zweiten Mal gebacken und dann in Ranch-Dressing, Mayo oder Barbecue-Sauce ertränkt werden. Dazu labbrige Burger oder Pancakes. Relikte aus einer Zeit, in der Amerika wirklich noch great war und die ganze Welt neidisch auf die Staaten blickte.

Das Comeback der Diner im Neonlicht

Die Zeit, steigende Kosten und Lieferdienste haben den Diners zugesetzt. Die New York Times schrieb, dass zwischen Februar 2020 und Jänner 2024 an die 13 Prozent der Rund-um-die-Uhr-Lokale in der Stadt, die niemals schläft, verloren gingen.

Doch halt: Wie Charlie Sheen scheinen sich auch die Diners in New York wieder aufzurappeln. US-Medien - unter anderem auch hier die New York Times - sehen schon ihr Comeback. Diese wollen im Gegensatz zu den Luxus-Läden in Manhattan keine Exklusivität vermitteln, sondern auf Zugänglichkeit und Gemeinschaft setzen, schreibt etwa Bloomberg.

Sehnsucht nach Ehrlichkeit in New York

Ähnlich wie bei uns die jungen Menschen ganz narrisch nach Beisln sind, stehen die New Yorker Kids auf die einst schon etwas vergessenen Diner. Es ist wohl die Sehnsucht nach dem Ursprünglichen, nach ehrlichem Essen, nach Orten ohne Dresscode. Nur eben nicht mehr abgerockt wie früher, sondern frisch poliert, ein wenig aufgepeppt und mit nicht mehr ganz so wildem Essen – Retro mit Glanzschicht, sozusagen.

Allen voran macht das frisch wiederbelebte Kellogg’s Diner im auf Hipness abonnierten Viertel Williamsburg von sich reden. Statt des früheren Braun-Blau-Looks dominieren jetzt pastellige Töne und ein gedeckteres, moderneres Ambiente. Unter neuer Leitung verbindet der Laden die gute alte Diner-Nostalgie mit einem Schuss Gegenwart – Tex-Mex-Einschlag auf der Karte inklusive, dazu der unverzichtbare 24/7-Service.

Parallel schießen in New York die asiatisch inspirierten Diner wie Pilze aus dem Asphalt: Kisa, Golden Diner, Thai Diner oder Cha Cha Tang – sie alle setzen auf die Mischung von Burger und Bibimbap, Pancakes und Pad Thai.

Luxusmarken wie Chanel entdecken die Diner

Und sogar die Haute Cuisine hat Blut geleckt: Starkoch Franklin Becker nutzt den Begriff „Diner“ als bewusstes Kontrastprogramm. Kein weiß gestärktes Tischtuch, kein Chichi – sondern ein Ort, an dem sich New Yorks Gastro-Szene plötzlich wieder volksnah gibt.

Dazu entdeckten Luxusmarken die Lokale für sich. Wie die Vogue berichtete, eröffnete Chanel einen Pop-up-Diner in Brooklyn, um ein neues Parfum zu bewerben. Der Ort, in Pastellrosa und mit zahlreichen Doppel-C-Logos geschmückt, zur vornehmsten Kantine der Stadt. Luxus trifft Basis.

Szene aus „Harry und Sally“: Meg Ryan und Billy Crystal sitzen in einem vollen Restaurant.

Sally zeigt Harry im Katz’s Delicatessen in New York einen vorgetäuschten Orgasmus.

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„Das Besondere an diesem demokratischen Tresen ist, dass jeder hineingehen und sich hinsetzen kann. Das kann ein Professor sein, das kann ein Arbeiter sein“, sagte Richard Gutman, Autor von „American Diner Then and Now“ einmal der BBC. „Ein Freund von mir in Pennsylvania aß in einem Diner und saß zwischen zwei Typen. Der eine war der Polizeichef, der andere ein normaler Typ. Der Polizist schaute herüber und fragte: „Habe ich Sie nicht letztes Jahr verhaftet?“ Und der Typ sagte: „Doch, das haben Sie – reichen Sie mir mal das Ketchup.“

Diner bei Seinfeld, Twin Peaks, Harry und Sally

Nicht umsonst sind Diners die heimlichen Hauptdarsteller der US-Popkultur. Ein Besuch auf Coney Island wäre für viele unvollständig, würden sie nicht zu Nathan’s Famous auf einen Hotdog gehen. Dazu gäbe es ohne Diner manche Ikone gar nicht. Harry und Sally ohne Katz’s Delicatessen

Hier stöhnte Meg Ryan eine Orgasmus-Szene in die Weltgeschichte – und machte damit ein ganzes Lokal unsterblich.

Twin Peaks“ ohne das Double R Diner? Ein noch finsterer Ort. Cherry Pie und „damn fine coffee“ lockerten das Ungemütliche doch etwas auf.

Innenansicht von Twede's Cafe mit Gästen und roter Neonbeleuchtung.
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Und wo, wenn nicht im Monk’s Café hätte George seinem Freund Seinfeld die Ohren vollsudern können?

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember 2020 über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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