O du Fröhliche: Ausflug nach Bratislava im Advent

In der besinnlichsten Zeit des Jahres verwandelt sich die Hauptstadt der Slowakei in die schönste, nahe gelegene Adventstadt der Welt.

"Du mit deinem Ufo! Bitte, lass mi’ im Kraut mit dem Ufo!“ Als Reisender wehen einem ja so manche Gesprächsfetzen um die Ohren. Von Liebesgeflüster bis Familienzwist ist alles drin, von Kontakten zu Außerirdischen dürfte dabei eher selten die Rede sein. Noch dazu hier, mitten auf der Donau, an Bord des Twin City Liners von Wien nach Bratislava. So unvermutet das Ufo auftauchte, so abrupt aber verschwand es vom geistigen Radar: „Wir wollen zum Advent, nicht ins All!“

Kunsthandwerk ist groß geschrieben auf den Adventmärkten

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Gut gebrüllt, du Löwenmutter drei Reihen hinten links. Als hätten die Turbinen des Katamarans gelauscht, drosseln beide abrupt das Tempo. Sehr gut, wir sind da, Bratislava!

Alles auf Advent

Freilich, man könnte die etwa 80 km von Wien in die Hauptstadt der Slowakei auch mit dem Auto zurücklegen. Oder der Eisenbahn. Per Boot aber hat das Ganze mehr Pepp. Schon alleine wegen der frühzeitigen Sichtung einer Aussichtsplattform, die bei diesem Ausflug noch eine Rolle spielen wird.

Mit 441.000 Einwohnern ist Bratislava direkt eine Kleinstadt verglichen mit Wien. Zur Adventzeit aber wächst sie zu einer echten Weltmetropole, zumindest in Sachen Weihnachtsatmosphäre. Ob im Hof des Alten Rathauses, auf dem Primatialplatz oder auf dem Franziskanerplatz mit der Eislauffläche, überall wurlt es weihnachtlich, duftet es nach Schokolade, Maroni, Zimt, Punsch und all den anderen Köstlichkeiten, die den Winter so wunderbar machen.

Sie thront über der Stadt: die Bratislavaer Burg 

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Zwischendurch hört man natürlich viel Wienerisch. Kein Wunder, die beiden Städte liegen nur eine gute Stunde voneinander entfernt, viele ihrer Bewohner sind einander seit vielen Jahrzehnten verbunden. Moment! „Hatschi!“, reißt es da einen leicht verkühlten Besucher des Adventmarkts beim Alten Rathaus. Prompt folgt hinter der Budel der Konter: „Haptschi!“

So geht freundschaftliche Nachbarschaft. Früher gab es über den Eisernen Vorhang hinweg das einende Sprichwort: „Wenn einer in Wien niest, antwortet einer in Pressburg mit ,Haptschi’“. Heute macht man das fast Aug’ in Aug’. In die Armbeuge, eh klar. Alle freuen sich, dass die traditionell rot-weiß gestreiften Dächer der vielen Dutzend Adventmarkt-Hütten nach zwei Corona-Jahren endlich wieder Beschaulichkeit und Fröhlichkeit verbreiten. Das will man nicht aufs Spiel setzen.

 Café und Museum in einem: Konditorei Kormuth mit Gemälden und Fresken im Renaissance-Stil 

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Aber Achtung! Wer mit dem Twin City Liner als Tagestourist anreist, muss sich spätestens beim zweiten Stanitzel Maroni fragen, ob sich noch ein Punsch ausgeht. Bei der Adventfahrt (Sa, So & Ft, 26. 11. bis 18. 12.) heißt es nämlich Punkt 16.30 Uhr: Ahoi! Leinen los, Rückfahrt! Da ist es doch besser, man verbringt gleich wie wir ein verlängertes Wochenende bei den Nachbarn.

Ein altes Wahrzeichen von Bratislava: Zwiebelturmdach des Michaelertors 

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Barock ist Trumpf

Von der Burg mit Blick über die Stadt und auf die Donau bis zum Ausflug zur 20 Minuten entfernt gelegenen Museumshalbinsel Danubiana: Die Stadt mit ihrer angenehm charmanten Atmosphäre und ihrem penibel restaurierten historischen Kern verführt richtiggehend dazu, sich auf ihren Pflastersteinen die Beine ausgiebig zu vertreten. Alles so schön in Gehnähe hier! Natürlich, zur Burg ist es schon ein Hatscher. Bergauf noch dazu. Bergab passiert man dann quasi als Entschädigung den sorgsam gepflegten Barockgarten.

Und findet ohne große Umwege auch den Zugang zu einem alten Gewölbe, das Stärkung für weitere Taten verheißt. Das Schild vor der Gaststätte Modrá Hviezda („Blauer Stern“) kündet zwar von einer „Weinstube“, dahinter aber verbirgt sich weit mehr, ein Restaurant mit Wein – und schmackhaften slowakischen Gerichten auf der Speisekarte.

Eine gebratene Ente und ein nussig-würziges Bier später geht’s zum nächsten Highlight am Rande des Adventmarkt-Trips: ein Besuch der Galerie Nedbalka mit ihren vier Etagen wohl sortierter slowakischer Kunst.

Die innere räumliche Gestaltung der Galerie erinnert an das New Yorker Guggenheim-Museum.

©STANO JENDEK/Galéria Nedbalka

Aber nicht allein wegen dieser augenscheinlichen optischen Verwandtschaft atmen Besucher hier das Flair der großen, weiten Welt. Zumindest trifft man unter den Besuchern nicht wenige Gäste aus Übersee an. Offenbar, weil es einfach hip ist, Bratislava auf seiner privaten „Travel-Bucket-List“ einmal abzuhaken.

Macht Stimmung bei der Citytour: weihnachtlich dekorierte Straßenbahn in Bratislava  

©mauritius images / Alamy Stock Photos / Vladimir Cuvala/Alamy Stock Photos/Vladimir Cuvala/mauritius images

Wie heißt es so schön? Einmal ist keinmal. Wer also volle vier Tage in Bratislava verbringen will, hat es gut. Erstens spielt die Stadt trotz ihrer Kompaktheit alle Stückerln. Vom gemütlichen Bier in der Klosterbrauerei bis zum großen Auftritt in der gehobenen Gastronomie ist alles drin. Mit dem Grand Hotel River Park gibt es sogar ein Fünf-Sterne-Haus mit hoteleigenem Rolls-Royce (steht nur Gästen einer Suite zur Verfügung).

Zweitens verführt der Adventmarkt auf der Promenade vor dem Opernhaus zu einem da capo des vorweihnachtlichen Sinnesrausches. Vom Eislaufplatz über die Punsch- und Maronistände bis zum Ringelspiel ist hier alles vorhanden, was zu einem echten Weihnachtsmärchen gehört.

Kleinster der größten Türme der Welt: Ufo Tower. Er bildet einen Pfeiler der SNP-Brücke

©UFO

Ab zum Ufo

Strebt man zu Höherem, bedarf es nur einer Donauüberquerung, um dort zu landen, wo sich so manche schon zu Beginn des Ausflugs hinwünschen: jenem Ding, das augenzwinkernd den Namen Ufo trägt. Auf den Pfeilern einer Brücke „hockt“ unterhalb der Aussichtsplattform ein Restaurant, das mit dem Design einer fliegenden Untertasse kokettiert. Abends leuchtet es fast wie ein Weihnachtsbaum. Ein Traum.

©Bernhard Praschl

Wer hier einen Platz an der Bar ergattert, kann auch einem „Paparazzo“ über die Schulter schauen. Neben dem aus einem Gully lugenden Gaffer und einem befrackten Grüßaugust ist er eine der vielen Statuen, die die Stadt beleben. Ein Fotomotiv aus Bratislava für BratisLover. Sehr originell.

Bernhard Praschl

Über Bernhard Praschl

Bernhard Praschl, geboren 1961 in Linz. Als Stahlstadtkind aufgewachsen zwischen Stadtwerkstatt und Brucknerhaus. 1978 erster Manager der Linzer Punk-Legende Willi Warma. 1979 Studium der Politikwissenschaft und Publizistik an der Uni Wien. Zivildienst im WUK; 1986 Institut für Höhere Studien, Wien. 1989-1992 in der Die Presse, seit 1992 Redakteur im KURIER, 1994 Statist in Richard Linklaters "Before Sunrise", seit 1995 in der FREIZEIT. 2013 "Das kleine ABC des Geldes. Ein Lesebuch für Arm und Reich" (Czernin Verlag). Nach frühen Interrailreisen durch Europa (Portugal bis Irland) und Autofahrten entlang der California State Route und dem Overseas Highway nach Key West jetzt wieder Bahnfahrer - und E-Biker.

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